Was gibt's Neues?

Das Sozialschutz-Paket

 Neue Gesetze zur Linderung wirtschaftlicher Einbußen infolge der Corona-Pandemie

Nachdem der Gesetzgeber bereits die Gesetze zur erleichterten Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes verabschiedet hatte (zum Nachlesen: unser Blogbeitrag vom 20.03.2020), wurden in Wirtschaft und Gesellschaft schnell Stimmen laut, die weitere Maßnahmen forderten, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern. Hierbei standen insbesondere Kleinunternehmer, Solokünstler und Eltern, die durch die Schließung von Schulen sowie Kindergärten mit der Betreuung ihrer Kinder in ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind, im Mittelpunkt der Diskussion. Nun hat die Bundesregierung ein Paket an (vorübergehenden) Gesetzesänderungen vorgestellt, welches für viele dieser Gruppen finanzielle Erleichterungen mit sich bringt und insbesondere Familien mit geringem Einkommen sowie Selbstständige ohne oder mit nur wenigen Angestellten stärken soll. Mit Blick auf den Umfang des Gesetzesentwurfs und die damit einhergehende Belastung der Staatskasse, lässt sich in Anlehnung an die kürzlich zur staatlichen Unterstützung von Unternehmen getroffene Aussage des Bundesfinanzministers und Vizekanzlers Olaf Scholz sagen: Auch der Sozialstaat packt nun die „Bazooka“ aus. Wir möchten Ihnen im Rahmen dieses Blogs die besonders relevanten Regelungen in einem ersten Überblick vorstellen:

  1. Arbeitszeitgesetz

Das Gesetzespaket enthält u. a. eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes. Diese Änderung ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium durch Rechtsverordnung Ausnahmen zu den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zuzulassen. Diese Ausnahmen dürfen dabei über das hinausgehen, was an Ausnahmen derzeit bereits im Gesetz selber oder in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen aufgrund des Gesetzes geregelt ist. Wichtig ist zu wissen, dass nicht automatisch mit der Verabschiedung der Gesetzesänderung auch unmittelbar Änderungen des Arbeitszeitgesetzes in Kraft treten, sondern hierfür eine gesonderte Verordnung erforderlich ist, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nun erst noch erlassen müsste

Voraussetzung für den Erlass einer derartigen Rechtsverordnung ist das Vorliegen eines außergewöhnlichen Notfalls mit bundesweiten Auswirkungen, insbesondere epidemischen Lagen. Die Regelung ist damit auf die gegenwärtige Lage zugeschnitten. Ferner dürfen die Ausnahmen nur für Arbeitnehmer angeordnet werden, deren Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existentiellen Gütern notwendig ist. Die Verordnung muss allerdings auch Bestimmungen zum Schutz dieser Arbeitnehmer enthalten.

In einer derartigen Rechtsverordnung könnten z. B. Abweichungen von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes im Hinblick auf die Dauer von zulässigen Höchstarbeitszeiten, Länge von einzuhaltenden Ruhezeiten zwischen Arbeitseinsätzen und Dauer und Lage von Ruhepausen vorgesehen werden. Es bleibt zu hoffen, dass von solchen Verordnungen auch wirklich nur in absoluten Ausnahmesituationen – wie z. B. der gegenwärtigen – Gebrauch gemacht wird. Mit welchen konkreten Inhalten das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nun von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, ist noch nicht bekannt. Wir werden auch hierüber weiter berichten.

  1. Entschädigung für Verdienstausfall wegen ausgefallener Kinderbetreuung

Eine weitere Neuerung ist im Infektionsschutzgesetz angesiedelt. Hier wurde eine Regelung aufgenommen, um den Verdienstausfall von Eltern abzufedern, wenn die Kinderbetreuung aufgrund behördlicher Anordnung im Zuge der gegenwärtigen Corona-Pandemie ausfällt. Dies betrifft insbesondere die Schließung von Kitas und Schulen. Vorgesehen ist, dass Sorgeberechtigte, die aufgrund der Schließungen der Einrichtungen einen Verdienstausfall erleiden, weil sie nun ihre Kinder selber betreuen müssen und ihrer beruflichen Tätigkeit deswegen nicht nachgehen können, eine Entschädigung in Höhe von 67 % ihres Nettoeinkommens für bis zu sechs Wochen erhalten sollen. Der Entschädigungsanspruch soll dabei auf monatlich maximal € 2.016,00 gedeckelt werden. Ein Verdienstausfall soll nicht vorliegen, wenn es andere Möglichkeiten gibt, der Arbeit vorübergehend bezahlt fernzubleiben. Hierzu zählt z. B. der Abbau von Überstunden oder anderer Zeitguthaben. Auch Ansprüche auf Kurzarbeitergeld gehen dem neuen Entschädigungsanspruch vor.

Weitere Voraussetzung ist, dass die betroffenen Eltern nicht über zumutbare alternative Betreuungsmöglichkeiten verfügen. Dies kann z. B. die Betreuung durch den anderen Elternteil oder die Notbetreuung in Schule oder Kita sein. Großeltern und andere Personen, die zur sogenannten Risikogruppe zählen, müssen jedoch nicht zur Kinderbetreuung herangezogen werden.

Ferner gilt die Regelung nur bezüglich der Betreuung von Kindern bis zum 12. Lebensjahr und nicht für Zeiten, in denen die Kita/ Schule ohnehin geschlossen gewesen wäre, also insbesondere Ferienzeiten. Auch ist die Regelung bis Ende des Jahres 2020 befristet.

Die Auszahlung der Entschädigung erfolgt, ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld, durch den Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde den Erstattungsantrag stellen kann.

  1. Anpassungen im SGB II

Die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II sichert grundsätzlich den Lebensunterhalt, wenn eine Person nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die für das sogenannte „Existenzminimum“ notwendig sind. Dies gilt nun nach der Intention des Gesetzgebers auch gerade für diejenigen, bei denen keine vorrangigen Hilfen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkung der Corona-Krise greifen. Dies ist beispielsweise bei Kleinunternehmern, Selbstständigen und Solokünstlern der Fall, die in der Regel nur über begrenzte finanzielle Rücklagen verfügen und keinen Zugang zu anderen Absicherungen wie dem Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- oder Insolvenzgeld haben. Bei ihnen kann durch den kurzfristigen Wegfall vieler oder gar aller Aufträge sehr schnell eine existenzbedrohende Situation auftreten.

Daher sieht das Gesetz für Bewilligungszeiträume, die bis zum 30.06.2020 beginnen, befristete Sonderregelungen vor, damit „niemand aufgrund der bestehenden Krise in existentielle Notlagen gerät“. Jemand, der aufgrund der aktuell geltenden Einschränkungen bis zum 30.06.2020 einen entsprechenden Leistungsantrag beim Jobcenter stellt, muss beispielsweise lediglich „erhebliches“ Vermögen, welches zum Bestreiten des Lebensunterhaltes verwertet werden könnte, angeben. Normalerweise erfolgt bei einem Leistungsantrag eine umfangreiche Vermögensprüfung seitens des Jobcenters. Darüber hinaus entfällt für Anträge bis zum 30.06.2020 die Überprüfung, ob die begehrte staatliche Unterstützung hinsichtlich eigener Miet- und Heizkosten angemessen ist. Die Angemessenheit wird grundsätzlich fingiert, das heißt ohne weitere Prüfung durch das Jobcenter angenommen, da „die von den Auswirkungen der Pandemie Betroffenen sich nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssen.“ Das Gesetz sieht vor, dass die im Rahmen des vereinfachten Antragsverfahrens weggefallenen Überprüfungen nach dem ersten Bewilligungszeitraum nachgeholt werden, es sei denn, dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, die Kosten bis dahin zu senken.

Schließlich werden zudem Leistungsbewilligungen gegenüber Selbstständigen bis zum 30.06.2020 für einen Zeitraum von sechs Monaten erteilt. Normalerweise wird über Leistungsanträge von selbstständig tätigen Personen nur vorläufig entschieden und regelmäßige Überprüfungen im jeweiligen Bewilligungszeitraum durchgeführt, um hinsichtlich der Leistungshöhe flexibel auf den jeweiligen Bedarf des Selbstständigen reagieren zu können.

Durch die vorgesehenen Vereinfachungen sollen auch die Jobcenter bei der Bearbeitung entlastet werden. Ferner kann der Zeitraum für die Geltung dieser Regelungen durch Rechtsverordnung bis zum 31.12.2020 verlängert werden. Die Hilfen zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderungen werden im Antragsverfahren ebenso modifiziert, wie die dargestellten Vereinfachungen der Leistungsanträge nach dem SGB II. Auch ältere oder erwerbsgeminderte Personen können in Folge der Corona-Krise Einkommenseinbußen erleiden, indem beispielsweise ein bislang ausgeübter Minijob wegfällt. Auch die negativen Auswirkungen der Krise für diese Personengruppe sollen abgemildert werden.

  1. Finanzielle Anreize beim Bezug von Kurzarbeitergeld

 Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld findet im SGB III seinen gesetzlichen Niederschlag. Durch die Einfügung des § 421c SGB III werden finanzielle Anreize für Kurzarbeiter, die sogenannten „systemrelevanten Branchen und Berufe“, wie zum Beispiel Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, Energie- und Wasserversorger sowie das Gesundheitswesen und die Land- und Ernährungswirtschaft angehören, geschaffen. Grundsätzlich sehen die Regelungen des SGB III vor, dass weitere Entgelte aus Nebenbeschäftigungen bei der Höhe des staatlichen Kurzarbeitergeldes berücksichtigt werden. Nach dem neuen § 421c SGB II soll nun „in der Zeit vom 1. April 2020 bis 31. Oktober 2020 (…) das Entgelt aus einer anderen, während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigung in systemrelevanten Branchen und Berufen dem Ist-Entgelt nicht hinzugerechnet“ werden. Dies gilt zwar nur „soweit das Entgelt aus der neu aufgenommenen Beschäftigung zusammen mit dem Kurzarbeitergeld und dem verbliebenen Ist-Entgelt aus der ursprünglichen Beschäftigung die Höhe des Soll-Entgelts aus der Beschäftigung, für die Kurzarbeitergeld gezahlt wird, nicht übersteigt“. Jedoch können Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die in den kommenden Wochen von Kurzarbeit betroffen sind, auf diese Weise „den trotz Zahlung des Kurzarbeitergeldes verbleibenden Entgeltausfall ganz oder teilweise durch die Aufnahme oder befristeten Ausweitung einer bereits bestehenden Nebenbeschäftigung ausgleichen“. Dadurch kann die Notwendigkeit reduziert werden, einen Antrag auf aufstockendes Arbeitslosengeld stellen zu müssen.

  1. Modifizierung der „geringfügigen Beschäftigung“, § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV

 Gemäß § 8 ABS. 1 Nr. 2 SGB IV liegt auch dann eine sogenannte geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres normalerweise auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist. Man spricht insofern von einer Zeitgeringfügigkeit. Um den bevorstehenden Problemen bei der Saisonarbeit, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, aufgrund der Corona-Krise Rechnung zu tragen, werden nun die Zeitgrenzen für diese Form der geringfügigen Beschäftigung auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen ausgeweitet. Diese Neuregelung gilt für den Zeitraum 01.03.- 31.10.2020.

  1. Weitere Neuerungen

 Über die Änderungen im Sozialgesetzbuch hinaus ist eine Anpassung des sogenannten „Kinderzuschlags“ nach dem Bundeskindergeldgesetz vorgesehen. Eltern, die durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit infolge der Corona-Krise Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, sollen unterstützt werden. Dafür soll die Prüfung des Kinderzuschlags ausnahmsweise auf das Einkommen im letzten Monat vor Antragstellung bezogen werden. Normalerweise wird das Einkommen der vergangenen sechs Monate zugrunde gelegt. Dies würde jedoch aufgrund der kurzfristigen Entwicklungen zu unsachgemäßen Ergebnissen hinsichtlich der Anspruchshöhe führen. Zudem erfolgt ähnlich wie in dem vereinfachten Antragsverfahren nach dem SGB II und XII „eine befristete Aussetzung der Berücksichtigung des Vermögens, um die Leistung unbürokratischer zugänglich zu machen und die aktuellen Notsituationen leichter abzufangen“.

  1. Umsetzung in die Praxis

Der Bundestag hat dem Gesetzentwurf am 25.03.2020 zugestimmt und die vorgenannten Änderungen verabschiedet. Damit ist ein entscheidender Schritt getan, damit die hier vorgestellten Änderungen nun wirklich umgesetzt werden können. Es ist zu hoffen, dass dies nun auch in der Praxis schnell und unbürokratisch geschieht und die betroffenen Menschen wirklich entlastet werden, denn nur dann wäre das Ziel des Sozialschutz-Pakets tatsächlich erreicht.

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