Was gibt's Neues?

Der Arbeitnehmerstatus und seine Folgen

BAG, Urteil vom 26.6.2019 – 5 AZR 178/18

Oftmals stehen bei der Feststellung, dass eine Person in der Vergangenheit abhängig beschäftigt bzw. als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, die sozialrechtlichen Folgen im Fokus. Bei der sozialrechtlichen Betrachtung geht es um die Bestimmung, ob eine abhängige Beschäftigung nach § 7 SGB IV vorliegt. Mit einer vorliegenden Beschäftigung nach § 7 SGB IV geht die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherungen sowie die vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge einher.

Wird erst nachträglich festgestellt, dass eine bestimmte Person abhängig beschäftigt war, sind in der Vergangenheit in der Regel keine Versicherungsbeiträge gezahlt worden. Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften muss meistens der Arbeitgeber in der Folge den Großteil der nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

Grundsätzlich deckt sich der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff mit dem der abhängigen Beschäftigung nach § 7 SGB IV. Bis auf wenige Ausnahmen geht ein Arbeitnehmer in sozialrechtlichem Sinne einer abhängigen Beschäftigung nach. Nun gibt es ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu den arbeitsrechtlichen Folgen eines nachträglich festgestellten Arbeitsverhältnisses, bei dem das Pendel etwas unerwartet zugunsten der Arbeitgeberin ausschlägt.

Sachverhalt

Der Beklagte war bereits seit 2001 für die klagende Arbeitgeberin als „IT-Mitarbeiter“ tätig. Der Beschäftigung lag zunächst nur eine mündliche Honorarvereinbarung zugrunde. Ein von der Klägerin teilweise in ihrem Unternehmen angewandter Vergütungstarifvertrag galt nicht für den Beklagten. Im Oktober 2004 schlossen die Parteien rückwirkend einen „Dienstleistungsvertrag über EDV-Systemadministration“, der ein stündliches Honorar in Höhe von 60,- Euro vorsah. Nach der Kündigung durch den Beklagten im Frühjahr 2009, stellte dieser einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung hinsichtlich eines sogenannten Statusfeststellungsverfahrens. Die Deutsche Rentenversicherung kam daraufhin zu der Feststellung, dass die Tätigkeit des Beklagten für die Klägerin im Sinne des § 7 SGB IV im gesamten Zeitraum eine abhängige Beschäftigung darstellte. Die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung wurde durch das Landessozialgericht bestätigt.

Die Klägerin verlangte nun gerichtlich von dem Beklagten die Rückzahlung zu viel geleisteter Honorare und die Erstattung von Arbeitgeberanteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Insgesamt machte die Klägerin eine Forderung in Höhe von 113.000 Euro geltend. Der Beklagte könne ihrer Ansicht nach für den Streitzeitraum lediglich die übliche Vergütung eines entsprechend seiner Tätigkeit beschäftigten Arbeitnehmers beanspruchen, welche deutlich unter dem gezahlten Honorar gelegen hätte.

Die Entscheidung

Nachdem die Vorinstanzen stets die Anträge der Klägerin abgelehnt hatten, ist das BAG der Klägerin dem Grunde nach gefolgt. Ein Arbeitgeber kann demnach die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Das Verfahren wird zurück an das LAG verwiesen, wo festzustellen sein wird, wie viel der Beklagte als Arbeitnehmer üblicherweise bei der Klägerin verdient hätte.

Zunächst stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest, dass der Beklagte in den Jahren von 2001 bis 2009 auf Grundlage eines Arbeitsvertrages für die Klägerin tätig war. Dabei stellte das BAG klar, dass die Arbeitnehmereigenschaft hier – entsprechend der bereits dargestellten Abgrenzung zum sozialrechtlichen Begriff der abhängigen Beschäftigung – aus dem Parteivorbringen und nicht aus dem Urteil des Landessozialgerichts folge. Anschließend fährt das Gericht in der Begründung fort:

„Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar. War anstelle eines Honorars für die Tätigkeit im Arbeitsverhältnis eine niedrigere Vergütung zu zahlen, umfasst der Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen den beiden Vergütungen.“

Hinsichtlich der im (nachträglich festgestellten) Arbeitsverhältnis geschuldeten Vergütung kommt das Gericht zu der Einschätzung, dass das zwischen den Parteien für das vermeintlich freie Dienstverhältnis vereinbarte Stundenhonorar nicht für das Bruttoarbeitsentgelt in dem tatsächlich zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis maßgeblich ist:

„Andernfalls bliebe außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbstständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt. Das betrifft nicht nur Risiken, gegen die Arbeitnehmer durch die gesetzliche Sozialversicherung abgesichert sind. Freie Mitarbeiter müssen zudem in Rechnung stellen, dass sie von Gesetzes wegen gegen den Verlust des Vergütungsanspruchs bei Arbeitsausfällen deutlich weniger geschützt sind als Arbeitnehmer. (…) Außerdem finden auf freie Mitarbeiter eine Vielzahl von Arbeitnehmerschutzbestimmungen, etwa das Kündigungsschutzgesetz, keine Anwendung und kommen ihnen die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung mit den damit verbundenen Privilegierungen nicht zu Gute.“

Da nach Ansicht des Gerichts ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegeben ist, musste es sich noch mit einem möglichen Ausschluss des Anspruchs nach § 814 BGB beschäftigen, wonach die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn der Leistende gewusst hat, dass er nicht zur Leistung verpflichtet war. Hierzu ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung erforderlich. Nicht ausreichend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt. Aus dem Vorbringen des Beklagten hat sich nach Ansicht des Gerichts jedoch allenfalls ergeben, dass die Klägerin „hinsichtlich der Einordnung des Rechtsverhältnisses als freies Dienstverhältnis Zweifel hegte“.

Somit hat das vorinstanzliche LAG die übliche Vergütung des Beklagten gemäß § 612 Abs. 2 BGB festzustellen und den Rückzahlungsanspruch konkret zu beziffern. Bei der Rückzahlung überzahlter Honorare muss sich die Arbeitgeberin im Rahmen des Bereicherungsausgleichs dann neben der im Arbeitsverhältnis geschuldeten Bruttovergütung auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen.

Einordnung und Fazit

Das Urteil des BAG überrascht, da das Kostenrisiko einer erst nachträglich festgestellten abhängigen Beschäftigung zumindest im Rahmen der nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge hauptsächlich auf Arbeitgeberseite liegt. Zudem erscheint es fraglich, ob tatsächlich nur von Zweifeln anstatt von positiver Kenntnis der Arbeitgeberin bezüglich der eigenen Nichtschuld auszugehen ist. Jedenfalls müssen sich Personen, die lange Zeit als freie Mitarbeiter tätig sind und Zweifel daran haben, ob sie unter Umständen doch Arbeitnehmer sein könnten, im Auge behalten, dass es auch für sie teuer werden kann.

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