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Homeoffice – Gesetzesentwurf 2. Versuch

 

Der ursprünglich vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Oktober 2020 vorgelegte Gesetzesentwurf zur Regelung von Homeoffice (sog. „Mobile-Arbeit-Gesetz“) sah die Einführung eines Rechtsanspruchs auf mobile Arbeit im Umfang von 24 Tagen pro Jahr vor. Allerdings schaffte es der Entwurf gar nicht erst in die Ressortabstimmung zwischen den verschiedenen Ministerien, sondern wurde bereits vom Bundeskanzleramt abgelehnt. CDU/CSU lehnen einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit ab und verweisen auf den Koalitionsvertrag, der ausdrücklich nur einen Auskunftsanspruch, aber kein erzwingbares Recht auf Homeoffice vorsehe. Daraufhin hat das BMAS am 26.11.2020 den Rechtsanspruch im Entwurf gestrichen und einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt, der sich nach Presseangaben derzeit in der Ressortabstimmung zwischen den Bundesministerien befindet. Die Regelungen zur mobilen Arbeit sollen im arbeitsrechtlichen Teil der Gewerbeordnung (§§ 111, 112 GewO-E) verankert werden. Es bleibt abzuwarten, ob und mit welchen Änderungen sich die Koalitionsparteien auf einen Entwurf einigen können. Spannend bleibt, ob die im Entwurf geregelte weitreichende Pflicht des Arbeitgebers zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit vom Koalitionspartner akzeptiert wird.

Feststeht allerdings bereits jetzt, dass der vorgelegte Entwurf keine Antworten auf die in der Praxis drängenden Fragen im Bereich Homeoffice enthält. Hierzu zählen insbesondere Fragen zur Vereinbarkeit zeitversetzten mobilen Arbeitens mit den weiterhin unverändert geltenden Regelegungen im Arbeitszeitgesetz zu Höchstarbeitszeiten, Pausen und Ruhepausen, zur Anwendbarkeit der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsstättenverordnung sowie zur Ausstattung und Kostentragung mobiler Arbeitsplätze. Der wesentliche Inhalt des überarbeiteten Entwurfs lässt sich wie folgt zusammenfassen:

1. Definition von mobiler Arbeit

Der Entwurf sieht erfreulicherweise erstmals eine gesetzliche Definition von mobiler Arbeit vor. Mobile Arbeit ist demnach die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte entweder von einem oder mehreren von der Arbeitnehmerin gewählten Ort/en oder aber von einem oder mehreren mit der Arbeitgeberin vereinbarten Ort/en – unter Verwendung von Informationstechnologie. Der Arbeitsort kann danach von der Arbeitnehmerin frei gewählt werden und ist insbesondere nicht auf Deutschland beschränkt, was u. a. steuer- und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen haben kann. Es wurde bewusst nicht der Begriff Homeoffice verwandt, weil man im Sinne einer möglichst weitgehenden Flexibilisierung für Arbeitnehmerinnen den Arbeitsort nicht auf den Privathaushalt der Arbeitnehmerinnen beschränken wollte. Unklar ist, welchen Mehrwert das Begriffsmerkmal „unter Verwendung von Informationstechnologie“ haben soll. Ausweislich der Entwurfsbegründung will das BMAS Tätigkeiten (wie etwa Fahr- oder Monteurtätigkeiten) ausnehmen, die naturgemäß nicht von „zu Hause“ ausgeübt werden können. Dies ist allerdings missglückt, weil insbesondere auch solche Tätigkeiten unter Verwendung von Informationstechnologie ausgeübt werden.

2. Kein Rechtsanspruch auf mobile Arbeit, aber Pflicht zur Erörterung

Nach dem überarbeiteten Gesetzesentwurf können Arbeitnehmerinnen, die regelmäßig mobil arbeiten möchten, der Arbeitgeberin Beginn, Dauer, Umfang und Verteilung der mobilen Arbeit spätestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn in Textform (z. B. E-Mail) mitteilen. Die Arbeitgeberin ist sodann verpflichtet, diesen Antrag mit der Arbeitnehmerin mit dem Ziel einer Vereinbarung zu erörtern. Einigen sich die Arbeitsvertragsparteien nicht, muss die Arbeitgeberin ihre ablehnende Entscheidung gegenüber der Arbeitnehmerin innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Antrags in Textform begründen. Eine mündliche Ablehnung in einem Personalgespräch ist demnach nicht ausreichend. Kommt die Arbeitgeberin ihrer Erklärungspflicht oder ihrer Erörterungspflicht nicht (form- und fristgerecht) nach, tritt eine sogenannte gesetzliche Fiktion ein und die mobile Arbeit gilt entsprechend den Wünschen der Arbeitnehmerin für die Dauer von maximal sechs Monaten als festgelegt. Das BMAS stellt in der Entwurfsbegründung klar, dass die von der Arbeitgeberin in ihrer Ablehnung angegebenen Gründe weder sachfremd noch willkürlich oder diskriminierend sein dürfen. Insofern soll die gesetzliche Fiktion nicht nur greifen, wenn die Arbeitgeberin gar nicht reagiert bzw. ohne Begründung ablehnt, sondern auch wenn sie ihrer Erörterungs- und Begründungspflicht nicht „hinreichend“ nachkommt. Danach gilt mobile Arbeit auch dann als von der Arbeitgeberin als genehmigt, wenn diese zwar form- und fristgerecht widerspricht, die Ablehnung aber sachfremd oder vor dem Hintergrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diskriminierend begründet. Dies bringt in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheit auf beiden Seiten. Denn es bleibt abzuwarten, ob hier ein einfaches „Homeoffice gibt es bei uns im Unternehmen nicht“ den Anforderungen genügt, oder ob die Rechtsprechung – ähnlich wie beim Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG – die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung weiter konkretisiert.

 3. Erfassung der gesamten täglichen Arbeitszeit

Weitreichende Änderungen sieht der Entwurf des BMAS im Hinblick auf die Zeiterfassung vor. Nach bisheriger Rechtslage ist die Arbeitgeberin auch bei mobiler Arbeit nach § 16 Abs. 2 ArbZG nur verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit (8 Stunden) hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen aufzuzeichnen. Zwar gibt es bereits jetzt einige Spezialvorschriften, wonach die gesamte Arbeitszeit zu erfassen ist. Dies gilt aber bislang nur für bestimmte Branchen (z. B. Bau-, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Spedition, Gebäudereinigung, Fleischwirtschaft) und Minijobber. Nach dem Entwurf des BMAS zur mobilen Arbeit sollen künftig alle Arbeitgeberinnen verpflichtet sein, Beginn, Ende und Dauer der gesamten Arbeitszeit mobil arbeitender Arbeitnehmerinnen am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Zu erfassen ist danach insbesondere auch die in der Betriebsstätte geleistete Arbeitszeit. Darüber hinaus gilt die Zeiterfassungspflicht für sämtliche Arbeitnehmerinnen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits regelmäßig mobil arbeiten. Das BMAS versäumt es zu definieren, was „regelmäßige“ Tätigkeit im Homeoffice bedeutet, was angesichts der bei einem Verstoß gegen die Auszeichnungspflicht drohenden, empfindlichen Bußgelder verwundert. Ausweislich der Entwurfsbegründung liegt regelmäßige mobile Arbeit – im Unterschied zur anlassbezogenen mobilen Arbeit – bei planmäßig wiederkehrender mobiler Arbeit vor, „wie zum Beispiel einmal oder mehrfach in der Woche oder zweimal im Monat an einem bestimmten Wochentag.“ Demnach gilt die umfassende Zeiterfassungspflicht der Arbeitgeberin auch für Arbeitnehmerinnen, die planmäßig einmal pro Halbjahr ein paar Stunden mobil arbeiten. Die Entwurfsbegründung enthält keine Klarstellung, ob pandemiebedingtes Homeoffice unter die Zeiterfassungspflicht fallen soll. Nach dem Wortlaut besteht hier jedenfalls eine Zeiterfassungspflicht für sämtliche Arbeitnehmerinnen, die auf Grund der Corona-Pandemie mittlerweile wohl planbar wiederkehrend und bis auf weiteres (auch) mobil arbeiten.

Bei einem Verstoß gegen die Zeiterfassungspflicht kann die zuständige Aufsichtsbehörde Bußgelder von jeweils bis zu 30.000,00 Euro verhängen. Zur Vermeidung von Risiken wäre Arbeitgeberinnen zu raten, die Arbeitszeit von allen Arbeitnehmerinnen aufzuzeichnen, die mobil arbeiten.

Die Arbeitgeberin kann die Pflicht zur Zeiterfassung auf die Arbeitnehmerin übertragen, bleibt jedoch für die korrekte Erfassung und Aufbewahrung verantwortlich. Eine besondere Form der Zeiterfassung sieht der Entwurf nicht vor.

4. Arbeitsschutz

Gemäß § 111 Abs. 5 Satz 1 GewO-E sollen die Regelungen des Arbeitsschutzes unberührt bleiben. Zudem wird die Arbeitgeberin verpflichtet, die Arbeitnehmerin vor Beginn der mobilen Arbeit in Textform darüber zu informieren, wie ihre Sicherheit und Gesundheit gewährleistet wird. Insofern finden die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) vollumfänglich Anwendung. Danach ist die Arbeitgeberin auch bei mobiler Arbeit verpflichtet, nach § 5 ArbSchG eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung ist die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung von Betriebsrat und ggf. technischer Sachverständiger wohl nicht zumutbar. Diese praktischen Probleme hat das BMAS ausweislich der Entwurfsbegründung auch gesehen, allerdings bewusst nicht gelöst. Es betont lediglich die begrenzte Einwirkungsmöglichkeit der Arbeitgeberin und die zentrale Rolle der Unterweisung durch die Arbeitgeberin im Hinblick auf die erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen. Allerdings bleibt es das Geheimnis des BMAS, wie die Arbeitgeberin dieser Pflicht ausreichend nachkommen soll, wenn sie den Ort der mobilen Arbeit im Zweifel gar nicht kennt. Denn eine Auskunftspflicht der Arbeitnehmerin im Hinblick auf den Ort der mobilen Arbeit sieht der Entwurf nicht vor. Hier bringt der Gesetzesentwurf leider keine Lösungen für bisher bestehende praktische Fragen im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

5. Unfallversicherung

Bislang bestehen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherungslücken in Bezug auf mobile Arbeit. So ist etwa nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Arbeitnehmerin, die sich während der Arbeit ein Getränk holt bzw. zur Toilette geht, in der Betriebsstätte geschützt, nicht aber im Homeoffice oder am sonstigen mobilen Arbeitsort. Diese Lücke schließt das MAG, indem es durch entsprechende Ergänzung des § 8 Siebtes Sozialgesetzbuches (SGB VII) mobile Arbeit im Hinblick auf den Versicherungsschutz einer Tätigkeit in der Unternehmensstätte gleichstellt. Damit sind – rechtlich stringent – nicht nur die Arbeit im eigenen Haushalt, sondern auch andere mobile Arbeitsorte vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz umfasst. Hier ist zu erwarten, dass in der Praxis in Bezug auf sonstige mobile Arbeitsorte (Café, Bahn etc.) zahlreiche neue Fragestellungen und Abgrenzungsschwierigkeiten auftauchen werden, die Gegenstand sozialgerichtlicher Entscheidungen werden. Dennoch ist der Regelungsvorschlag im Gesetzesentwurf hierzu sinnvoll.

Auch in Bezug auf Wege zwischen dem Homeoffice und Kinderbetreuungseinrichtungen erweitert der Gesetzesentwurf den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz durch Ergänzung von § 8 SGB VII. Hier soll künftig Versicherungsschutz für die Wege zwischen der Betreuungseinrichtung und dem „Ort des gemeinsamen Haushalts“, d. h. zwischen Homeoffice und Betreuungseinrichtung bestehen.

6. Rolle des Betriebsrates

Bislang besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Frage, ob Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf mobile Arbeit haben und in welchem Umfang dieser besteht. Entscheidet sich die Arbeitgeberin für mobile Arbeit in ihrem Unternehmen, können allerdings im Rahmen der Einführung zwingende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in Hinblick auf die Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen berührt sein. In der Regel sind hier jedenfalls die Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) (Ordnung des Betriebes), Nr. 2 (Arbeitszeit), Nr. 6 (technische Einrichtung) und Nr. 7 (Arbeits- und Gesundheitsschutz) berührt. Der Betriebsrat hat jedoch bislang kein Initiativrecht zur Einführung mobiler Arbeit – auch gegen den Willen der Arbeitgeberin.

Ausweislich des ersten Referentenentwurfs zum Mobile-Arbeit-Gesetz aus Anfang Oktober sollte der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht in Bezug auf jede Form der mobilen Arbeit (regelmäßig und anlassbezogen im Sinne des Gesetzes) erhalten. Allerdings ist das im ursprünglichen Entwurf enthaltene Initiativrecht des Betriebsrates zur Einführung und Ausgestaltung von Homeoffice in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG-E nunmehr im zweiten Entwurf gestrichen worden. Das BMAS hat im Anschluss versucht, ein solches Initiativrecht im Entwurf des Betriebsrätestärkungsgesetzes doch noch durchzusetzen. Presseberichten zu Folge besteht die CDU/CSU-Fraktion allerdings auf einer Streichung – auch im Betriebsrätestärkungsgesetz. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund bedauerlich, dass bereits der gesetzliche Mindestanspruch auf Homeoffice gestrichen wurde und der Betriebsrat der richtige Ansprechpartner sein dürfte, wenn es darum geht, einheitlich, auf den Betrieb zugeschnittene Regeln zu mobiler Arbeit zu schaffen und den damit verbundenen Gefahren für Arbeitnehmerinnen – wie etwa eine Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben vorzubeugen.

FAZIT: Das Mobile-Arbeit-Gesetz schafft keinen Mindestanspruch auf mobile Arbeit und lässt auch die in der Praxis relevanten Fragen in Bezug auf den Arbeitsschutz unbeantwortet. Für die Praxis relevante Folgen ergeben sich aus der im Entwurf vorgesehenen gesetzlichen Fiktion bei einer nicht ordnungsgemäßen Ablehnung des Arbeitnehmerinnenantrags auf mobile Arbeit sowie insbesondere im Hinblick auf die beabsichtige umfassende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Hier ist das BMAS offenbar bemüht, die sich aus dem Grundsatzurteil des EuGH zur Erfassung der Arbeitszeit vom 14.05.2019 (C-55/18, CCOO ./. Deutsche Bank SAE) ergebenden Anforderungen an den Gesetzgeber bereits für Teile der Arbeitswelt umzusetzen. Allerdings ist aus unserer Sicht eine isolierte Regelung hierzu in der Gewerbeordnung systematisch missglückt. Die Umsetzung der EuGH-Entscheidung sollte einheitlich im Rahmen einer Anpassung der einschlägigen Normen des Arbeitszeitgesetzes erfolgen.

 

**Gemeint sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber haben wir vorstehend bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch weibliche Form verwendet.**  

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