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Kommt die Impfpflicht im Betrieb?

Die Corona-Pandemie hat seit ihrem Beginn vor etwa 1 ½ Jahren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vor viele Fragen gestellt. Auch im Bereich des Arbeitsrechts werden Themen wie Home-Office und Kurzarbeitergeld diskutiert. Im Zuge der voranschreitenden Impfkampagne rückt nun die Frage einer betrieblichen Impfpflicht in den gesellschaftlichen Fokus. Der Wunsch danach ist für viele nachvollziehbar, ansteigende Corona-Fallzahlen und eine stockende Impfkampagne in Deutschland sorgen unter anderem in der Wirtschaft für Angst vor der vierten Welle. Viele Betriebe würden sich und ihre ArbeitnehmerInnen gerne bestmöglich davor schützen. Doch wäre eine betriebliche Corona-Impfpflicht überhaupt möglich und unter welchen Umständen könnte sie umgesetzt werden?

In Moskau bereits Realität

In Moskau müssen seit Beginn dieser Woche in vielen Unternehmen 60 Prozent der Mitarbeitenden gegen Corona geimpft sein. Dies betrifft Gastronomie-, Dienstleistungs-, Handels- und Verkehrsbetriebe sowie den Bildungs- und Gesundheitssektor und den Öffentlichen Dienst. Wird die Impfquote in einem Betrieb nicht erreicht, drohen Geldstrafen und für den/die ArbeitnehmerIn ein unbezahlter Zwangsurlaub, wenn die Impfung ohne medizinische Gründe verweigert wird. Viel einschneidender ist für die Unternehmen aber ein Tätigkeitsverbot für 90 Tage – dann muss der komplette Betrieb stillstehen.

So viel schon mal vorab: Solche weitreichenden Regelungen wie in Moskau wird es in Deutschland wohl nicht geben. Eine abschließende Entscheidung oder eine Regelung hierzu gibt es allerdings noch nicht. Die Rechtsauffassungen zu der Frage, ob und wie eine Impfpflicht in deutschen Betrieben eingeführt werden kann, sind daher breit gefächert. Ein Überblick:

Herrschende Rechtsauffassung: Betriebliche Impfpflicht nur mit gesetzlicher Impfpflicht

Eine gesetzliche Impfpflicht gibt es bisher nicht. Allerdings besteht aufgrund des Infektionsschutzgesetzes die Möglichkeit, eine Impfpflicht für bedrohte Teile der Bevölkerung einzuführen (§ 20 Abs. 6 Satz 1 IfSG). Damit es eine betriebliche Impfpflicht geben kann, geht die herrschende Rechtsauffassung davon aus, dass erst eine gesetzliche Impfpflicht für die entsprechende Berufsgruppe bestehen muss. Das Direktionsrecht des/der ArbeitgeberIn gemäß § 315 BGB reiche nicht so weit, dass hierdurch in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden sowie deren Recht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen werden könne. Diese Rechtsauffassung geht davon aus, dass der/die ArbeitgeberIn in Annahmeverzug gerät, wenn er/sie sich weigert nicht geimpfte Mitarbeitende zu beschäftigen.

Arbeitgebernahe Mindermeinung: Im Einzelfall Impfpflicht über Weisungsrecht

Dem gegenüber stehen zumeist arbeitgebernahe Stimmen, die meinen, eine Pflicht zur Impfung könne sich unter bestimmten Umständen auch aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ergeben. Eine Entscheidung müsse im jeweiligen Einzelfall getroffen werden und zwar unabhängig davon, ob eine gesetzliche Impfpflicht besteht. Hier wird argumentiert, dass in Fällen, in denen die möglichen gesundheitlichen Konsequenzen der anderen ArbeitnehmerInnen sowie die wirtschaftlichen Interessen des/der ArbeitgeberIn die Interessen der impfunwilligen ArbeitnehmerInnen überwiegen und daher eine Impfpflicht aus dem Weisungsrecht des/der ArbeitgeberIn entstehen kann. Allerdings muss man in solchen Fällen die Frage aufwerfen, ob mildere Mittel, besonders bezogen auf die Grundrechte der ArbeitnehmerInnen in Betracht kommen. Beispiele für mildere Mittel wären strengere Hygienemaßnahmen oder eine höhere Frequenz an Corona-Tests.

Mindermeinung: In Medizin und Pflege bereits bestehende Voraussetzung für Impfplicht

Zudem wird teilweise eine Rechtsauffassung vertreten, nach der es bereits durch die bestehende Regelung im Infektionsschutzgesetz für ArbeitgeberInnen möglich sein soll, eine betriebliche Corona-Impfpflicht einzuführen, ohne dass dafür eine weitere gesetzliche Grundlage notwendig wäre. Dies betrifft nach dieser Auffassung Betriebe, die unter § 23 Abs. 3 IfSG fallen, also insbesondere Krankenhäuser, Arztpraxen und ambulante Pflegedienste. Begründet wird diese Ansicht damit, dass nur so die nach Stand der medizinischen Wissenschaft erforderliche Maßnahmen getroffen werden können, um nosokomiale Infektionen („Krankenhausinfektionen“) zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 IfSG).

Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung einer betrieblichen Corona Impfpflicht

Wenn es eine betriebliche Impfpflicht geben sollte, stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob der/die ArbeitnehmerIn bei fehlender, verlangter Impfung mit einer Einbehaltung des Lohns oder anderen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss. Ist das Verlangen des/der ArbeitgeberIn, sich impfen zu lassen, rechtmäßig, kann der/die nicht geimpfte ArbeitnehmerIn nicht mehr vertragsgemäß beschäftigt werden. Dann kann der/die ArbeitgeberIn Optionen wie das Einbehalten des Gehalts, eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung in Betracht ziehen.

Fazit

Aus unserer Sicht spricht vieles dafür, dass es eine betriebliche Impfpflicht nicht pauschal für alle, sondern allenfalls für besondere Berufsgruppen wie Ärzte, Pflegekräfte, Krankenhausmitarbeitende oder in Arztpraxen geben kann – und dann auch nur, wenn es eine gesetzliche Pflicht zum Impfen für diese Berufsgruppen gibt. Der Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen durch eine Pflichtimpfung ist enorm und kann nur mit gewichtigen Gründen gerechtfertigt werden.

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