Was gibt's Neues?

BAG-Beschluss: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Ausgangslage:

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen.

Diese Regelung nahm der Betriebsrat einer vollstationären Wohneinrichtung zum Anlass von den beteiligten Arbeitgeberinnen initiativ die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu fordern. Nachdem die Arbeitgeberinnen einen entsprechenden Anspruch ablehnten, begehrte der Betriebsrat im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens die Feststellung, dass für ihn ein Mitbestimmungsrecht zur initiativen Einführung einer elektronischen Zeiterfassung bestehe. Das Arbeitsgericht hatte den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats hin stattgegeben (LAG Hamm, Beschluss vom 27. Juli 2021 – 7 TaBV 79/20).

Am 13.09.2022 hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen, mit der diese die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrten, entschieden (Az.: 1 ABR 22/21).

Entscheidung BAG:

Laut der Pressemitteilung des BAG vom 13.09.2022 hatte die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen Erfolg. Da der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet sei, ein System einzuführen, mit dem die von den Beschäftigten geleistete Arbeitszeit erfasst werden könne, bestehe eine gesetzliche Regelung (vgl. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Diese schließe ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines (elektronischen) Zeiterfassungssystems aus. Bei einer unionsrechtskonformen Auslegung (vgl. dazu EuGH vom 14. Mai 2019 – C-55/18) von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG sei der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen.

Bewertung:

Für alle Arbeitgeber, die bereits ein System zur Zeiterfassung eingeführt haben, ändert sich nichts. Allerdings sollten diejenigen Arbeitgeber, die die geleisteten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten bislang nicht erfassen, nun aktiv werden. Denn das BAG hat mit seiner Entscheidung vom 13.09.2022 Tatsachen geschaffen: Es besteht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG die gesetzliche Verpflichtung die geleisteten Arbeitszeiten der Beschäftigten zu erfassen.

Für die Betriebsräte bedeutet dies zugleich, dass sie die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung nicht initiativ erzwingen können. Da eine gesetzliche Regelung besteht, sind sie gemäß § 87 Abs. 1, Eingangssatz BetrVG bezogen auf das „Ob“ von einer Mitbestimmung ausgeschlossen. Weiterhin dürfte aber ein Mitbestimmungsrecht bezogen auf das „Wie“ bestehen, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zur Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten der Beschäftigten zu nutzen. Unter Umständen kann sich auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergeben.

Allerdings ist zu beachten, dass weder der EuGH noch das BAG eine bestimmte Form für die Arbeitszeiterfassung vorschreiben – es muss sich lediglich um ein „System“ handeln, mit dem die von den Beschäftigten geleisteten Arbeitszeiten erfasst werden können.

Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des EuGH aber, dass es sich um ein objektives, verlässliches und zugängliches System, mit dem die von den Beschäftigten geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, handelt. Es muss den Beschäftigten die Möglichkeit eröffnen, ihre Rechte durchzusetzen. Fener muss es gewährleisten, dass die Arbeitnehmervertreter (Betriebsräte) ihre Rechte gemäß Art. 11 III der RL 89/391 ausüben sowie den Arbeitgeber um geeignete Maßnahmen ersuchen und ihm bezogen auf ihre besondere Funktion bei der Sicherheit und beim Gesundheitsschutz der Beschäftigten Vorschläge unterbreiten zu können, um so jeder Gefahr für die Arbeitnehmer vorzubeugen und/oder die Gefahrenquellen auszuschalten.

Es bleibt abzuwarten, ob sich nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BAG weitere Hinweise betreffend das von den Arbeitgebern bereit zu stellende System zur Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten ergeben.

    Bleiben Sie auf dem Laufenden!

    Abonnieren Sie hier unseren Newsletter.