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Beweisverwertungsverbote in Kündigungsschutzverfahren

§ 26 BDSG bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig ist. So muss die Datenverarbeitung beispielsweise entweder für die Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (§ 26 Abs. 1 S. 1 BDSG) oder für die Aufdeckung einer Straftat (§ 26 Abs. 1 S. 2 BDSG) erforderlich sein. Das Bundesarbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatten sich in aktuellen Entscheidungen mit der Frage zu beschäftigen, ob Daten, die Arbeitgeber unter Verstoß gegen die Vorgaben des § 26 BDSG erlangt haben, in einem Kündigungsschutzprozess zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung herangezogen werden dürfen.

Das LAG Baden-Württemberg musste in seinem Urteil vom 27.01.2023 – 12 Sa 56/21 entscheiden, ob eine Arbeitgeberin einen Arbeitnehmer wirksam kündigen durfte, der Betriebsgeheimnisse unerlaubterweise weitergegeben haben soll, wenn sie dieses Fehlverhalten erst durch eine unerlaubte Auswertung der privaten Mails und Nachrichten des Arbeitnehmers und damit unter Verstoß gegen § 26 BDSG festgestellt hat.

Das BAG hatte in seinem Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 298/22 darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wirksam kündigen durfte, der vorgetäuscht hatte, eine Schicht gearbeitet zu haben, wenn der Arbeitgeber den Beweis für die Pflichtverletzung nur durch ein Video aus einer offenen Videoüberwachung erbringen konnte.

In beiden Fällen stellte sich die Frage, ob der Verstoß gegen § 26 BDSG zu einem sog. Beweisverwertungsverbot führt, d. h. ob sich die Arbeitgeber auf den entsprechenden Beweis im Prozess nicht berufen dürfen, was die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte.

Rechtsgrundlage für ein Beweisverwertungsverbot

Ein Beweisverwertungsverbot kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn dies wegen einer grundrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Rechtsgrundlage ist in beiden Fällen das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 1, 2 Abs. 1 GG). Ein Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses wiederum wird durch das gesamte BDSG (also auch durch § 26 BDSG) konkretisiert, denn die Betroffenen sollen durch § 26 BDSG vor unverhältnismäßiger Datenverarbeitung zu Zwecken des Beschäftigungsverhältnisses geschützt werden.

Entscheidungen des LAG Baden-Württemberg und des BAG

Das LAG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der ausgewerteten privaten Mails und Nachrichten angenommen, das BAG hingegen bei der Videoüberwachung ein solches abgelehnt, obwohl beide Gerichte einen Verstoß gegen § 26 BDSG angenommen haben.

Wie passen diese – sich auf den ersten Blick widersprechenden – Entscheidungen zusammen?

Nach der Rechtsprechung des BAG führt nicht jeder Verstoß gegen § 26 BDSG zwingend auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Vielmehr kann auch bei einer unzulässigen Datenerhebung eine Verwertung der Daten im Prozess in Betracht kommen, wenn weitere über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzukommen und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt erscheinen lassen. So kommt nach der Rechtsprechung des BAG eine Verwertung der Daten im Prozess in Betracht, wenn die Datenerhebung offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. Diese Voraussetzungen hat das BAG in seinem aktuellen Fall als erfüllt angesehen. Denn die Videoüberwachung erfolgte „offen“: die Videokamera war durch ein Piktogramm ausgewiesen und auch sonst nicht zu übersehen an einem Tor zum Werksgelände befestigt; zudem sollte hierdurch ein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegt werden. Bei der Datenverarbeitung im Fall des LAG Baden-Württemberg ging es hingegen um eine verdeckte Auswertung eines auch zur Privatnutzung freigegebenen E-Mail-Accounts „ins Blaue hinein“. Eine solche „verdeckte“ Datenauswertung begründet auch bei einem vorsätzlichen, vertragswidrigen Verhalten ein Beweisverwertungsverbot im Prozess.

Das BAG und das LAG kommen somit in ihren Entscheidungen zu unterschiedlichen Ergebnissen, die Entscheidungen widersprechen sich aber in ihrer Begründung nicht, da ihnen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde lagen: in dem einen Fall war es eine „offene“, in dem anderen eine „verdeckte“ Datenerhebung.

Ausblick

Das BAG lässt in seinem Urteil die Frage unbeantwortet, ob ausnahmsweise aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot in Bezug auf vorsätzliche Pflichtverstöße in Betracht kommt, wenn die „offeneÜberwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Es bleibt also dabei, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob die Verwertung der entgegen § 26 BDSG gewonnenen Beweismittel durch das Gericht im Einzelfall einen Grundrechtsverstoß darstellt, der ein Beweisverwertungsverbot zur Folge hat.

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