Was gibt's Neues?

Erreichbarkeit von Arbeitnehmenden außerhalb ihrer Arbeitszeit

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, wie erreichbar Arbeitnehmende in ihrer Freizeit sein müssen.

Dieser Frage wird sich demnächst auch das Bundesarbeitsgericht in dem anhängigen Revisionsverfahren (5 AZR 349/22) gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (im Folgenden: LAG) vom 27. September 2022 -1 Sa 39 öD/22 widmen.

In seinem Urteil vom 27. September 2022 hat das LAG entschieden, dass keine Pflicht für Arbeitnehmende bestehe, Mitteilungen des Arbeitgebenden während der Freizeit entgegenzunehmen. Auch bestehe für Arbeitnehmende keine Pflicht, sich während der Freizeit nach den zugeteilten Dienstzeiten zu erkundigen. Arbeitnehmende seien weder verpflichtet, in ihrer Freizeit SMS oder E-Mails des Arbeitgebenden zu lesen, um sich über die eigene Arbeitszeit zu informieren, noch müssen sie Telefonanrufe des Arbeitgebenden entgegennehmen. Auch bestehe keine Verpflichtung, sich während der Freizeit über Ort und Zeit der eigenen Arbeitsaufnahme im Internet zu informieren.

In dem vom LAG entschiedenen Fall war ein Notfallsanitäter während seiner Freizeit weder telefonisch noch per SMS oder E-Mail für die Arbeitgeberin erreichbar, die ihn über eine Änderung seiner ursprünglich geplanten Dienste informieren wollte. Der Rettungssanitäter meldet sich daher nicht zu dem geänderten, sondern zu seinem ursprünglich geplanten Dienst. Die Arbeitgeberin bewertete das Fehlen des Rettungssanitäters zu dem geänderten Dienst als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm erst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung.

Nachdem der Rettungssanitäter mit seiner Klage gegen Ermahnung und Abmahnung vor dem Arbeitsgericht unterlag, entschied das LAG zugunsten des Rettungssanitäters und führte dazu aus:

Dienstplanänderungen werden zumindest nicht wirksam, wenn sie den Arbeitnehmenden nicht während ihrer Arbeitszeit, sondern nur während ihrer Freizeit mittels E-Mail oder SMS mitgeteilt und vom Arbeitnehmenden nicht zur Kenntnis genommen werden.

Damit Dienstplanänderungen wirksam werden, müssen diese den Arbeitnehmenden zugehen. Der Zugang setzt voraus, dass die Mitteilung in den Machtbereich der Arbeitnehmenden gelangt und unter normalen Umständen mit deren Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Verpasste Telefonanrufe gelten schon deshalb nicht als zugegangen, weil sie nicht in den Machtbereich der Arbeitnehmenden gelangen.

SMS und E-Mails gelangen zwar auch außerhalb der Arbeitszeit in den Machtbereich der Arbeitnehmenden.  Als zugegangen gelten sie aber erst zu dem Zeitpunkt, zu dem unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme der Arbeitnehmenden zu rechnen ist.  Das LAG stellt klar, dass das Lesen einer SMS oder E-Mail, in der Arbeitgebende ihr Weisungsrecht bezüglich der Zeit oder des Ortes der Arbeitsleistung konkretisieren – wie es bei einer Dienstplanänderung der Fall ist -, als Arbeitszeit zu bewerten ist. Somit stellt das Lesen einer solchen SMS oder E-Mail eine Arbeitsleistung dar. Arbeitgebende können aber in der Freizeit gerade keine Arbeitsleistung von Arbeitnehmenden verlangen. Arbeitnehmende haben während ihrer Freizeit ausdrücklich ein Recht auf Nichterreichbarkeit. Dies diene neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmenden durch ausreichende Ruhezeiten auch dem Persönlichkeitsschutz.

Daher verhalten sich Arbeitnehmende auch nicht treuwidrig, wenn sie in ihrer Freizeit darauf bestehen, keine dienstlichen Tätigkeiten auszuüben. Das LAG stellt ausdrücklich fest, dass Arbeitnehmende nicht verpflichtet seien, sich während ihrer Freizeit nach den aktuellen Dienstplänen zu erkundigen.

Offen lässt das LAG lediglich die Frage, ob Arbeitnehmende einer Weisung Folge leisten müssten, wenn sie diese freiwillig während ihrer Freizeit zur Kenntnis nehmen.

Es bleibt spannend, ob sich das Bundesarbeitsgericht dieser Rechtsprechung anschließt. Selbstverständlich werden wir Euch informieren, sobald das Bundesarbeitsgericht in der Sache entscheidet!

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