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Homeoffice im Ausland - Neue Regelungen für die Bestimmung des einschlägigen Sozialversicherungsrechts

Bei Homeoffice im Ausland entsteht schnell das geistige Bild im Auge, wie Arbeitnehmende in Portugal am Strand mit dem Laptop arbeiten. Dabei handelt es sich jedoch gar nicht um Homeoffice im Ausland, sondern um die sogenannte „Workation“. Homeoffice -oder noch weiter Telearbeit- im Ausland üben insbesondere Arbeitnehmende aus, welche Homeoffice von ihrem Wohnsitz aus in einem anderen Staat als dem ihres Arbeitsortes ausüben (sog. Grenzgänger).

Für Grenzgänger ergeben sich zahlreiche rechtliche Problematiken. Insbesondere stellt sich die Frage, welches Sozialversicherungsrecht für sie gilt. Seit dem 01.07.2023 modifiziert das Framework Agreement on the application of Article 16 (1) of Regulation (EC) No. 883/2004 (Im Folgenden: multilaterale Rahmenvereinbarung) die bestehenden Regelungen, um zu bestimmen, welches Sozialversicherungsrecht für Arbeitnehmende im Homeoffice gilt. Im Anwendungsbereich des multilateralen Rahmenübereinkommens müssen Behörden den Anträgen von Arbeitnehmenden entsprechen, dass für sie das Sozialversicherungsrecht am Tätigkeitsstaat gilt.

Hintergrund -Sozialversicherungsrechtliche Rechtslage-

Um zu bestimmen, welches staatliche Sozialversicherungsrecht für diese Arbeitnehmende anzuwenden ist, ist ein Blick in die Europäischen Verordnungen VO (EG) 883/04 und in VO (EG) 987/2009 zu werfen.

Beispielfall:

X wohnt in Groeningen in den Niederlanden und arbeitet bei der Y-GmbH in Oldenburg in Deutschland. An zwei Tagen in der Woche arbeitet X in Groeningen in den Niederlanden im Homeoffice über einen Firmenlaptop. Die restlichen drei Tage pendelt X nach Oldenburg und arbeitet dort im Betrieb der Y-GmbH.

Gilt für X das niederländische oder das deutsche Sozialversicherungsrecht?

Die maßgeblichen rechtlichen Normen zur Bestimmung des einschlägigen Sozialversicherungsrechts für grenzübergreifende Tätigkeiten finden sich in Artikel 11 bis 16 VO (EG) 883/04 und in Art. 14- Art. 21 VO (EG) 987/2009.

Bei grenzüberschreitenden Tätigkeitsausübungen gilt für Arbeitnehmende nach Art. 13 VO (EG) 883/04 i. V. m.  Art. 14 Abs. 8 VO (EG) 987/2009 das Sozialversicherungsrecht des Wohnsitzstaates, wenn Arbeitnehmende dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeiten ausüben. Damit ein wesentlicher Teil der Tätigkeit innerhalb der Wohnsitzstaates ausgeübt wird, müssen die Arbeitnehmenden dort mindestens 25 % ihres Verdienstes und mindestens 25 % der Arbeitszeit erreichen.

Beispielfall:

Für X, der an zwei Tagen von fünf Arbeitstagen im Homeoffice in den Niederlanden arbeitet, würde dies bedeuten, dass er mit 40% (also deutlich über 25%) einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit am Wohnsitzstaat in den Niederlanden verübt.

Dies hätte zunächst zur Folge, dass aufgrund der Arbeit im Homeoffice nicht mehr das deutsche, sondern das niederländische Sozialversicherungsrecht für ihn gelten würde.

Sollten Arbeitnehmende nicht wollen, dass für sie infolge der Arbeit im Homeoffice nicht mehr das deutsche, sondern künftig das Sozialversicherungsrecht ihres Wohnortes gilt, besteht durch die sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmevereinbarungen in Artikel 16 VO (EG) 883/04 die Möglichkeit, durch einen Antrag bei der zuständigen Behörde im Tätigkeitsstaat zu beantragen, dass das Sozialversicherungsrecht des Tätigkeitsstaates gelten soll. In Deutschland wäre dies die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland. Die Ausnahme kann für max. 3 Jahre beantragt werden.

Die zuständige Behörde im Tätigkeitsstaat kann den Antrag nach einer Ermessensentscheidung genehmigen (oder auch nicht).

Beispielfall:    

X hätte also bei der zuständigen deutschen Behörde (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland) beantragen können, dass für ihn das deutsche Sozialversicherungsrecht gelten soll.

Hier hätten die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland nach ihrem Ermessen bestimmt, ob sie dem Antrag von X entsprochen hätten, dass für ihn das deutsche Sozialversicherungsrecht gilt.  

Änderungen durch die multilaterale Rahmenvereinbarung

Mit der multilateralen Rahmenvereinbarung haben sich verschiedene Staaten auf ein vereinfachtes Verfahren zur Erteilung von sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmevereinbarungen geeinigt. Seit dem 01.07.2023 modifiziert diese Ausnahmeregelung in Artikel 16 VO (EG) 883/04 dahingehend, dass die zuständigen Behörden dem Antrag der Arbeitnehmenden, dass das Sozialversicherungsrecht des Staates gilt, in welchem die Arbeitgebenden ansässig sind, entsprechen müssen, wenn die Arbeitnehmenden zwischen 25 % und 49,9 % in Telearbeit im Wohnsitzstaat beschäftigt sind. Dafür müsste die multilaterale Rahmenvereinbarung jedoch zunächst anwendbar sein.

Anwendungsbereich der multilaterale Rahmenvereinbarung für Grenzgänger

Der Anwendungsbereich der multilaterale Rahmenvereinbarung ist beschränkt auf Personen, welche in einem Unterzeichnerstaat (hierzu unter 1.) in abhängiger Beschäftigung (hierzu unter 2.) grenzüberschreitende Telearbeit zwischen 25 % und 49,9 % (hierzu unter 3.) verrichten.

  1. Unterzeichnerstaaten der multilaterale Rahmenvereinbarung

Die Ausnahmeregelung kann nur zwischen den Unterzeichnerstaaten erfolgen, sodass sowohl die Arbeitnehmenden in einem Unterzeichnerstaat wohnen und die Arbeitgebenden ihren Sitz in einem anderen Unterzeichnerstaat haben müssen. Arbeitnehmende können nicht noch in einem dritten Staat arbeiten.

Nicht alle EU-Staaten haben die multilaterale Rahmenvereinbarung unterzeichnet, dafür aber auch ein paar EFTA-Staaten. Hierzu gehören mit Stand 08.09.2023: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien und Tschechien.

  1. Arbeitnehmende in einer abhängigen Beschäftigung

Die Arbeitnehmenden müssen in einer abhängen Beschäftigung ihre Tätigkeiten verrichten. Daher sind Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei deutschen öffentlichen Arbeitgebern nicht von dem Anwendungsbereich der multilaterale Rahmenvereinbarung erfasst.

  1. Grenzüberschreitende Telearbeit von max. 49,9 %

Arbeitnehmende müssen ihre Tätigkeit zwischen 25 % und 49,9 % in Telearbeit im Wohnsitzstaat ausüben und die restliche Tätigkeit in einem anderen Unterzeichnerstaat im Büro des Arbeitgebenden bei dessen Sitz.

Bei der Telearbeit wird die Tätigkeit an anderen Orten als wie bisher in den Räumlichkeiten der Arbeitgebenden ausgeübt, wie zum Beispiel im Homeoffice. Zu beachten ist, dass die jeweiligen Arbeitnehmenden durchgehend mit einer IT-Verbindung mit ihrem Arbeitgebenden verbunden sein müssen. Eine grenzüberschreitende Telearbeit liegt vor, wenn ein Teil der Arbeit aus dem Wohnsitzstaat der Arbeitnehmenden, z. B. im Homeoffice geleistet wird und ein Teil der Arbeit vom Büro des Arbeitgebenden aus, der seinen Sitz in einem anderen Unterzeichnerstaat hat als der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz.

Beispielfall:    

Der X hat seit dem 01.07.2023 die Sicherheit, dass sein Antrag bei der zuständigen deutschen Stelle (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland), dass das deutsche Sozialversicherungsrecht für ihn gelten soll, bewilligt wird.

Denn er fällt in den Anwendungsbereich des multilateralen Rahmenvereinbarung, da sowohl sein Wohnstaat Niederlande wie auch der Staat des Sitzes seiner Arbeitgeberin Deutschland Unterzeichnerstaaten sind. Ferner übt der x eine abhängige Tätigkeit grenzüberschreitend mit 40 % in Telearbeit aus.

Kündigungsmöglichkeit des multilateralen Rahmenvereinbarung

Zu beachten ist, dass das Abkommen für fünf Jahre geschlossen ist, sofern jeweils noch zwei Unterzeichnerstaaten vorhanden sind. Es verlängert sich alle fünf Jahre. Jedoch kann ein einzelner Staat seine Kündigung des Abkommens mit einer Frist von 3 Monaten schriftlich gegenüber dem Verwahrstaat (Belgien) bekannt geben.

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