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Keine Folgenbeseitigung aus Beseitigungsanspruch aus § 87 BetrVG

Das BAG hat mit Beschluss vom 23.03.2021 – 1 ABR 31/19 seine Rechtsprechung zum Beseitigungsanspruch des Betriebsrats aus § 87 BetrVG fortgeführt und den Umfang des Beseitigungsanspruchs beschrieben. Die Arbeitgeberin hat demnach den mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen – aber nicht die Folgen des Verstoßes. Der Rechtsstreit, über den bereits das LAG Köln entschieden hatte, beruhte auf einem Streit zwischen einer Flughafenbetreiberin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat. Der Betriebsrat wehrte sich gegen weitergeleitete und ausgewertete Emails von Mitarbeitenden, die die Arbeitgeberin im Rahmen einer internen Untersuchung wegen möglicher Steuervergehen eingeleitet hatte. Das BAG entschied: Das Löschen der Daten ist nicht mehr vom Beseitigungsanspruch gedeckt.

Was war passiert?

Die Arbeitgeberin betrieb einen Flughafen. Mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat schloss sie eine IT-Rahmenbetriebsvereinbarung und eine ergänzende Betriebsvereinbarung. Die Parteien hatten in § 12 (Überwachung) vorgesehen, dass dem Betriebsrat „[…] auf Verlangen jederzeit die für die Überwachung der Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung erforderlichen Informationen und Unterlagen vorzulegen“ sind. Die Arbeitgeberin nutzte mit Zustimmung des Betriebsrats Outlook für die Email-Kommunikation.

Die Arbeitgeberin leitete 2017 eine interne Untersuchung zur Klärung strafrechtlich relevanter Vorwürfe unter anderem gegen einen ihrer damaligen Geschäftsführer ein. Die Arbeitgeberin ließ sich dabei von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und einer Rechtsanwaltskanzlei unterstützen. Im Rahmen der Untersuchung überprüfte die Arbeitgeberin die Outlook-Postfächer des damaligen Geschäftsführers und weiterer ArbeitnehmerInnen. Sie sicherte ebenfalls Emails, um deren Löschung zu verhindern und leitete diese für eine Auswertung an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und an die Rechtsanwaltskanzlei weiter. Dies geschah ohne Beteiligung des Betriebsrats.

Der Betriebsrat war der Auffassung, ihm habe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Auswertung, Sicherung und Weiterleitung der Emails der Mitarbeitenden zugestanden. Durch die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen sei dieses nicht abschließend ausgeübt worden. Um das Mitbestimmungsrecht nun (gegebenenfalls noch nachträglich) ausüben zu können, vor allem aber um die Beseitigungsansprüche geltend zu machen, beantragte der Betriebsrat, ihm die Namen der betroffenen ArbeitnehmerInnen mitzuteilen sowie den Grund für die Überprüfung ihrer Emails. Darüber hinaus beantragte der Betriebsrat, dass die Arbeitgeberin das Löschen der Daten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Rechtsanwaltskanzlei veranlassen solle und sie es künftig unterlassen solle, ohne Zustimmung des Betriebsrats die Daten zu sichern, auszuwerten und an Dritte für eine Auswertung weiterzuleiten.

Das Arbeitsgericht Köln hatte den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Das LAG Köln hatte auf die Beschwerde der Arbeitgeberin den Antrag zu 2 (Löschen der Daten) des Betriebsrats abgewiesen. Das BAG wies alle Ansprüche des Betriebsrats ab.

Auskunftsanspruch nur soweit erforderlich

Zu dem Auskunftsanspruch, den der Betriebsrat verfolgte, berief sich dieser auf seine Aufgabe, die Einhaltung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu überwachen. Das BAG entschied jedoch, dass die verlangten Informationen nicht erforderlich seien, um die Einhaltung der Norm zu überprüfen. Weder anhand der Namen noch anhand der Gründe für die Auswertung der Emails könnte der Betriebsrat erkennen, ob (und gegebenenfalls welche, von der Arbeitgeberin dokumentierte) tatsächlichen Anhaltspunkte einen Anfangsverdacht für eine Straftat begründet haben. Auch könne der Betriebsrat mit den begehrten Informationen nicht erkennen, ob die von ihr durchgeführte Datenverarbeitung zu deren Aufdeckung erforderlich und im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen der betroffenen ArbeitnehmerInnen geeignet und angemessen war. Auch aus der Betriebsvereinbarung ergab sich nach Ansicht des BAG kein Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats, da die Betriebsvereinbarung unmittelbar an die gesetzlichen Regelungen im BDSG anknüpfte und damit dieselben Anforderungen wie § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG stellte.

Fehler in der Antragsstellung verhindern umfangreiche Prüfung des Unterlassungsanspruchs

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wurde vom BAG ebenfalls abgewiesen, denn der Antrag bezog sich zumindest auch auf Fallgestaltungen, die nicht Gegenstand eines aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG folgenden allgemeinen Unterlassungsanspruchs sein können. Der Antrag des Betriebsrats erfasste die im Rahmen einer internen Untersuchung durch die Arbeitgeberin vorgenommene Sicherung, Auswertung und Weiterleitung von E-Mails der ArbeitnehmerInnen an Dritte – und zwar unabhängig davon, welche technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Arbeitgeberin bei diesen Vorgängen verwendet. Das BAG erläuterte ausführlich, dass die Sicherung, Auswertung und Weiterleitung von E-Mails jedoch bereits nach der IT-RahmenBV unter bestimmten Voraussetzungen zulässig war. Der Betriebsrat habe somit sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mit Abschluss der IT-RahmenBV verbraucht, da die Betriebsvereinbarung auch Regelungen enthielt, die unter dort festgelegten Voraussetzungen eine Verhaltenskontrolle der ArbeitnehmerInnen durch ein datenverarbeitendes System ermöglichten.

Das BAG erläuterte weiter, dass der Betriebsrat sein Unterlassungsbegehren ausschließlich auf eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG stützte, nicht aber auf einen Verstoß gegen Regeln der Betriebsvereinbarungen. Deshalb entschied das BAG nicht, ob die Sicherung, Auswertung und Weiterleitung von E-Mails durch die Arbeitgeberin gegen die Betriebsvereinbarungen verstoßen würden, da dies ein anderer Verfahrensgegenstands wäre, der jedoch vom Antrag des Betriebsrats nicht erfasst war.

Löschen der Daten nicht von Beseitigungsanspruch erfasst

Das Gericht wies auch den Antrag des Betriebsrats auf Löschung der Daten, die die Arbeitgeberin an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Rechtsanwaltskanzlei weitergeleitet hatte, zurück. Der Betriebsrat könne dies nicht auf den aus § 87 BetrVG folgenden Beseitigungsanspruch stützen. Der Beseitigungsanspruch reiche ebenso wie der allgemeine Unterlassungsanspruch nicht weiter als der Inhalt des zu sichernden Mitbestimmungsrechts. Daher umfasse der Beseitigungsanspruch nur die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands – also die Beseitigung einer mitbestimmungswidrig eingeführten und genutzten technischen Überwachungseinrichtung -, nicht jedoch die weitergehende Folgenbeseitigung.

Praxishinweis: Fortführung der Rechtsprechung und präzise Antragsstellung

Die Entscheidung des BAG führt die bisherige Rechtsprechung zum Beseitigungsanspruch konsequent fort und schafft dahingehend Klarheit. Dass eine Folgenbeseitigung vom Beseitigungsanspruch nicht umfasst ist, macht deutlich, dass eine zügige Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs wichtig ist, selbst wenn das Verfahren möglicherweise langwierig ist (im vorliegenden Fall dauerte das Verfahren 4 Jahre).

Darüber hinaus zeigt die Entscheidung des BAG mit Blick auf den Unterlassungsanspruch, dass eine präzise Antragsstellung im Beschlussverfahren über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Da die Anträge des Betriebsrats nur die Überprüfung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG umfassten, prüfte das BAG auch nur eine solche Verletzung – nicht jedoch einen möglichen Verstoß gegen die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. Hinsichtlich der Verletzung des Mitbestimmungsrechts wies das BAG den Antrag bereits deshalb ab, weil er eine Vielzahl von Fällen erfasste, unter denen auch Fälle waren, in denen eine Unterlassung nicht rechtmäßig gewesen wäre.

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