Was gibt's Neues?

Neues zur Betriebsratsvergütung: Änderung des BetrVG und eine Entscheidung des LAG Hamburg

Nach dem VW-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.01.2023 – 6 StR 133/12 zur Untreuestrafbarkeit bei überhöhter Betriebsratsvergütung herrschte insbesondere in Unternehmen Rechtsunsicherheit: Der BGH begründete seine Entscheidung zwar auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern bei Streitfragen an sich zuständig ist. Einige Formulierungen ließen aber die Vermutung zu, dass sich der BGH gegen die ständige Rechtsprechung des BAG stellen könnte. Aufgrund der dadurch entstandenen Rechtsunsicherheit haben mehrere Unternehmen präventiv die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern gekürzt; die Betriebsratsmitglieder haben sich wiederum mit Klagen gegen diese Gehaltsreduzierungen gewährt.

Ziel des Gesetzesentwurfs

Die durch die BGH-Entscheidung entstandenen Unsicherheiten sollen nun durch den Gesetzesentwurf beseitigt werden. Ziel des Entwurfes ist, die vielfältige betriebliche Praxis abzusichern und einer bei langjährig amtierenden Mitgliedern des Betriebsrats nicht auszuschließenden Gefahr einer strukturellen Benachteiligung in deren beruflichen Entwicklung entgegenzuwirken, ohne das Ehrenamtsprinzip (§ 37 Abs. 1 BetrVG) aufzugeben.

Ergänzung der Entgeltgarantie (§ 37 Abs. 4 BetrVG)

Aktuell regelt § 37 Abs. 4 BetrVG, dass das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrates weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern benachteiligt werden. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Mindestentgelt bzw. auf Entgelterhöhung für die Betriebsratsmitglieder.

§ 37 Abs. 4 BetrVG soll zukünftig um folgende Sätze ergänzt werden: „Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

Der Hauptzweck der Ergänzung ist, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtssicher und verbindlich in Form eines Gesetzes festzulegen. Außerdem sollen den Betriebsparteien Anreize gesetzt werden, die Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern transparent im Voraus festzulegen. Angesichts der Vielfalt betrieblicher Stellenanforderungen und -bewertungen sollen den Betriebsparteien über die bestehende Regelung hinaus keine konkreten Kriterien zur Bestimmung der jeweiligen Vergleichsvorgaben gemacht werden.

Ergänzung des Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots (§ 78 S. 2 BetrVG)

§ 78 S. 2 BetrVG hingegen enthält das allgemeine Verbot, ein Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen oder zu begünstigen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsratsmitgliedern eine berufliche Entwicklung zu gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten („hypothetische Karriere“). Von dem Benachteiligungsverbot erfasst wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt.

§ 78 BetrVG soll zukünftig um folgenden Satz 3 ergänzt werden: „Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Auch durch diese Ergänzung soll die bestehende Rechtsprechungspraxis des Bundesarbeitsgerichts rechtssicher und verbindlich normiert werden.

Urteil des LAG Hamburg zur variablen Vergütung eines vollfreigestellten Betriebsratsmitgliedes

Mit der Vergütung eines nach § 38 BetrVG freigestellten und von uns vertretenen Betriebsratsmitgliedes musss sich auch das Bundesarbeitsgericht in diesem Jahr beschäftigen; das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen 7 AZR 141/23 anhängig.

Die Parteien streiten in diesem Verfahren unter anderem über die Berechnung der variablen Vergütung eines Kraftfahrzeugverkäufers während der Zeit seiner Vollfreistellung; die Höhe der variablen Vergütung hängt maßgeblich von der Anzahl verkaufter Fahrzeuge in einem Jahreszeitraum ab. Unser Mandant hat vor seiner Vollfreistellung – zwischen den Parteien unstreitig – 1/3 mehr Fahrzeuge in einem Jahreszeitraum verkauft als die Kollegen seiner Vergleichsgruppe. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG sind nach unserer Überzeugung in diesem Fall dahingehend anzuwenden, dass dieses eine Drittel bei der Berechnung der (hypothetischen) Zielerreichung unseres Mandanten auch zukünftig berücksichtigt werden muss, d.h. dass die durchschnittliche Zielerreichung der Kollegen seiner Vergleichsgruppe mit dem Faktor 1,33 zu multiplizieren ist. Die Arbeitgeberin nimmt demgegenüber an, dass lediglich die durchschnittliche Zielerreichung der Kollegen seiner Vergleichsgruppe anzusetzen sei. Die höhere Zielerreichung vor der Vollfreistellung könne keine Berücksichtigung finden, da mangels tatsächlicher Verkaufsleistung nicht angenommen werden könne, dass unser Mandant ohne Vollfreistellung weiterhin durchschnittlich mehr Autos verkaufen würde als seine Kollegen.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg (Aktenzeichen: 3 Sa 29/22) ist unserer Argumentation in seinem Urteil vom 26.04.2023 gefolgt. Es hat dabei unter anderem folgenden Grundsatz aufgestellt: „Hat der Kläger wie hier vor seiner Freistellung die Ziele in einem gewissen Prozentsatz höher erfüllt als die Mitglieder seiner Vergleichsgruppe, ist auch sein Zielerreichungsbonus hypothetisch unter Fortschreibung des bisherigen höheren Zielerreichungsrades – nicht absolut, aber relativ zu demjenigen der Vergleichsgruppe im entsprechenden Zeitraum – zu errechnen.“ Wenn das Betriebsratsmitglied unter gleichen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit die Ziele zu einem höheren Prozentsatz erfüllen konnte als die Mitglieder der zutreffend gebildeten Vergleichsgruppe, kann davon ausgegangen werden, dass ihm dies auch weiterhin gelänge. Es läge sodann an dem Arbeitgeber, Tatsachen vorzubringen, die diese Vermutung widerlegen, zum Beispiel dadurch, dass nur bestimmte und nun weggefallene Sondereffekte zu dem höheren Zielerreichungsgrad des Betriebsratsmitgliedes geführt haben oder die Vergleichsgruppe aufgrund bestimmter Umstände, etwa einer geänderten Zusammensetzung oder ebenfalls bestimmter Sondereffekte, die Leistung hat so steigern können, dass hypothetisch nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass dem Betriebsratsmitglied eine die der Vergleichsgruppe in bisherigem Maß übersteigende Zielerreichung gelungen wäre. Entsprechender Vortrag der Arbeitgeberin lag jedoch nicht vor.

Die Arbeitgeberin hat gegen diese Entscheidung Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Wir sind gespannt, wie das Bundesarbeitsgericht diesen Fall entscheiden wird.

Bedeutung der Gesetzesänderung

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern hat unzählige Facetten. Nur wenige davon werden durch die geplante Gesetzesänderung, die vermutlich im März 2024 verabschiedet werden wird, aufgegriffen. In erster Linie dient die Ergänzung der §§ 37 Abs. 4, 78 BetrVG einer Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und damit der Beseitigung einer gewissen Unsicherheit, die durch die VW-Entscheidung des BGH entstanden ist. Die in unserem Verfahren streitigen Rechtsfragen werden hingegen nicht beantwortet, sodass wir auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts warten müssen.

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