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Pack die Badehose ein… – BAG übernimmt Urlaubs-Rechtsprechung des EuGH

Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem viel beachteten Urteil entschieden, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht mehr automatisch verfällt, wenn dieser nicht im jeweiligen Kalenderjahr – spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres – gewährt und genommen wird. Dabei schloss sich das Gericht nach einem eigens angestrengten Vorabentscheidungsverfahren der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an (vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2018 – C-684/16).

Urlaub oder Geld?

Dem Urteil des BAG lag die Klage eines Arbeitnehmers zugrunde, der die Abgeltung seiner nicht in Anspruch genommenen Urlaubstage gegenüber seinem früheren Arbeitgeber geltend machte. Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG):

„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“

Der Arbeitgeber hatte dem Mitarbeiter im Oktober, zwei Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses, schriftlich aufgefordert, seine restlichen Urlaubstage zu nehmen. Dieser Aufforderung kam der Arbeitnehmer nicht nach. Das BAG hatte somit insbesondere zu entscheiden, ob der Urlaubsanspruch des Klägers am Ende des Jahres verfallen ist. Den Verfall von Urlaubsansprüchen regelt § 7 Abs. 3 BUrlG:

„Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.“

BAG bisher: Urlaubsanspruch mit kurzem MHD

Nach der bisherigen Rechtsprechung verfiel der Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, den Urlaub noch im Urlaubsjahr (also bis zum 31. Dezember) zu nehmen. Dies galt sogar in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig beantragte, der Arbeitgeber diesen jedoch nicht gewährte. Vor diesem Hintergrund wären die Urlaubsansprüche des Klägers nach der bisherigen Rechtsaufassung des Gerichts mit Jahresablauf verfallen, so dass er keinen Anspruch auf die Abgeltung der verbliebenen Urlaubstage gehabt hätte.

EuGH: Urlaub jetzt länger haltbar

Das BAG ließ nun jedoch in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH klären, ob die nationale Regelung des § 7 BUrlG mit der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist oder richtlinienkonform auszulegen sei. Gemäß Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 GRCh haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Mit Blick auf die schwache Position des Arbeitnehmers in einem Arbeitsverhältnis hat der EuGH entschieden, dass der Arbeitgeber

u.a. verpflichtet ist, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.“

Das BAG schloss sich nun dieser Entscheidung des EuGH an, indem es die Sache an das zuständige Landesarbeitsgericht zurückverwiesen hat. Das LAG muss nun prüfen, ob der Arbeitgeber diesen Obliegenheiten nachgekommen ist. Nur wenn der Arbeitgeber

 „den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt“,

wird das LAG den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage ablehnen können.

Hinweise für die Praxis

Zunächst bleibt festzuhalten, dass es auch nach der Entscheidung des BAG grundsätzlich Aufgabe des Arbeitnehmers ist, seine Urlaubstage zu beantragen, und der Arbeitgeber nach wie vor anhand der Urlaubswünsche seiner Arbeitnehmer die konkrete zeitliche Lage des jeweiligen Urlaubs festlegt. Dennoch trägt nun der Arbeitgeber die Initiativlast zur Wahrung des Urlaubsanspruchs, welche maßgeblichen Einfluss auf die Praxis in vielen Unternehmen haben wird. Schließlich umfasst jene neue Obliegenheit des Arbeitgebers nach der Formulierung eine konkrete Aufforderung zum Urlaub und den klaren und rechtzeitigen Hinweis auf den andernfalls eintretenden Verfall des Urlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber hat selbst ein Interesse daran, den neuen Anforderungen nachzukommen, da er in einem möglichen Rechtsstreit die Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen für einen Urlaubsverfalls vorliegen.

Für eine konkrete Aufforderung im Sinne der neuen BAG-Rechtsprechung wird es wohl nicht genügen, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer pauschal, zum Beispiel mit einem Aushang am schwarzen Brett, auf die noch zu nehmenden Urlaubstage aufmerksam macht.

Zudem wird durch die weitere Rechtsprechung zu klären sein, wann ein Hinweis auf den möglichen Verfall des Urlaubsanspruchs rechtzeitig ist. Ein Hinweis kurz vor Jahresende, sodass der Arbeitnehmer noch gerade seinen Urlaub nehmen kann, wird die Anforderung der Rechtzeitigkeit wohl nicht erfüllen.

Abzuwarten bleibt derweil, inwieweit das Urteil des BAG bereits für vermeintlich verfallene Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit Wirkung entfaltet, wenn Arbeitnehmer nicht ausreichend durch den Arbeitgeber informiert waren. Das Gericht ließ diese Frage ausdrücklich offen, da sie nicht Gegenstand des Verfahrens war. Man kann aber davon ausgehen, dass die neuen Anforderungen an die Arbeitgeber bereits seit der Entscheidung des EuGH im November 2018 galten – und damit für Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2018, welche spätestens am 31.03.2019 zu verfallen drohen.

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