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Umstrukturierung/ Betriebsänderung

Bei einer Umstrukturierung stellt sich als erstes die Frage: Betrifft sie das ganze Unternehmen oder nur den Betrieb? Eventuell sogar mehrere Unternehmen eines Konzerns? Denn von dieser Frage hängt ab, welche Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bestehen, welche Betriebsratsgremien hierfür zuständig sind und welche Verfahren zu beachten sind.

Unternehmen oder Betrieb – ist das nicht das gleiche?

Nein, überhaupt nicht.

Ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist eigentlich genau das, woran man bei dem Wort „Betrieb“ denkt: Zum Beispiel die Filiale eines Mobilfunkanbieters in Hamburg-Schnelsen, die von einem eigenen Filialleiter geleitet wird. Hat die gleiche „Firma“ nun eine zweite Filiale in Düsseldorf-Altstadt, die ebenfalls von einem eigenen Filialleiter geleitet wird, ist dies ein anderer Betrieb. Die „Firma“ ist dann die Organisationseinheit, die beiden Betrieben übergeordnet ist: Dies ist das Unternehmen.

Wie erfolgt die Umstrukturierung?

Eine Umstrukturierung betrifft die Unternehmensebene, wenn sie die rechtliche Zuordnung der Arbeitnehmer und Betriebsmittel (also Maschinen, Werkzeug usw.) zu dem Unternehmen als Rechtsträger verändert. Das heißt: Ändert sich für die betroffenen Arbeitnehmer der Arbeitgeber, findet die Umstrukturierung auf Unternehmensebene statt.

Auf betrieblicher Ebene wirkt sich die Umstrukturierung hingegen aus, wenn sie in die betriebliche Organisationsstruktur eingreift. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Produktionsablauf komplett umorganisiert wird oder wenn ein Betrieb stillgelegt wird.

Eine Umstrukturierung auf Betriebsebene löst insbesondere dann Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer aus, wenn es sich um eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG handelt. Eine Betriebsänderung steht wiederum häufig in einem engen Zusammenhang mit einem Inhaberwechsel und damit auch mit einer Umstrukturierung auf Unternehmensebene: Geht ein Betrieb oder ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, liegt ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vor und der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Es ist also nicht selten, dass von einer Umstrukturierung sowohl die Unternehmens- als auch die Betriebsebene betroffen ist:

Entscheidet sich der Mobilfunkanbieter, eine der beiden Filialen an einen Konkurrenten zu verkaufen, der die bestehende Filiale an einem neuen Standort mit seiner eigenen Filiale zusammenlegen möchte, bedeutet das für den verkauften Betrieb und dessen Arbeitnehmer große Veränderungen: Sowohl der Arbeitgeber ändert sich – die Umstrukturierung berührt also die Unternehmensebene. Aber auch auf Betriebsebene ändert sich einiges, denn durch die Zusammenlegung mit einem anderen Betrieb wird die bisherige betriebliche Organisation umgekrempelt.

Die Rolle des Betriebsrats

Wenn mit der Umstrukturierung eine Betriebsänderung verbunden ist, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann, verfügt der Betriebsrat über Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG. Liegt eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG vor, muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abzuschließen. Im Interessenausgleich soll die Umstrukturierungsmaßnahme genauer geregelt werden, also zum Beispiel der Umfang und der Zeitpunkt der Umstrukturierungsmaßnahme.

In bestimmten Fällen kann der Betriebsrat außerdem verlangen, dass ein Sozialplan abgeschlossen wird. Durch den Sozialplan sollen wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen, ausgeglichen oder gemildert werden.

Was ist eine Betriebsänderung?

Wenn in einem Unternehmen mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, besteht gem. § 111 BetrVG für den Unternehmer bei geplanten Betriebsänderungen mit wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft gegenüber dem Betriebsrat eine Unterrichtungs- und Beratungspflicht.

Als Betriebsänderung qualifiziert § 111 S. 3 BetrVG die folgenden Formen der betriebsorientierten Umstrukturierungen:

  • Stilllegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile
  • Einschränkung des Betriebs oder Stilllegung wesentlicher Betriebsteile
  • Personalabbau
  • Verlegung des ganzen Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile
  • Zusammenschluss mit anderen Betrieben
  • Spaltung von Betrieben
  • Grundlegende Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen

Ob neben den aufgelisteten Punkten auch noch weitere Formen von Betriebsänderungen möglich sind, ist im Gesetz nicht klar definiert. Überwiegend wird jedoch angenommen, dass nicht aufgezählte sonstige Betriebsänderungen denkbar sind, sofern sie die allgemeinen Voraussetzungen des § 111 S. 1 BetrVG erfüllen. Eine Betriebsänderung kann somit erst einmal jede Veränderung im Betrieb sein.

Um eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG anzunehmen, müssen jedoch wesentliche Nachteile für die Belegschaft des Betriebs bestehen. Dieses Kriterium muss also zusätzlich zur Beurteilung herangezogen werden, ob eine Betriebsänderung vorliegt oder nicht. Hierzu können sowohl immaterielle, als auch materielle Nachteile zählen.

Um zu bestimmen, wann ein „wesentlicher Betriebsteil“ gemäß § 111 S. 3 Nr. 1, 2 BetrVG vorliegt, kann § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG analog herangezogen werden. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 KSchG hat der Arbeitgeber beabsichtigte Entlassungen bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen, wenn sie innerhalb von dreißig Tagen stattfinden und eine bestimmte Mindestanzahl von Arbeitnehmern betreffen. Ob §§ 17 ff. KSchG anwendbar sind, richtet sich nach der Betriebsgröße, die zur Zahl der entlassenen Arbeitnehmer ins Verhältnis gesetzt wird. Die Zahlenangaben in § 17 Abs. 1 KSchG über die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen dienen als Richtschnur dafür, wann erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind und somit eine Betriebsänderung gemäß § 111 S. 3 Nr. 1, 2 vorliegt.

Was ist beim Interessenausgleich zu beachten?

Ein Interessenausgleich ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die alle Fragen zur Umsetzung der geplanten Betriebsänderung regelt. Hierin wird festgelegt, wie die Betriebsänderung durchgeführt werden soll, welchen Umfang diese hat und in welchem Zeitraum die Umsetzung geschehen soll. Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber versucht, mit dem Betriebsrat, einen Interessenausgleich abzuschließen. Den Abschluss eines Interessenausgleichs kann der Betriebsrat nicht erzwingen.

Daher ist es für den Arbeitgeber häufig sinnvoll, einem Interessenausgleich nur zuzustimmen, wenn er die geplante Betriebsänderung genauso bestätigt, wie er sie plant. Hierauf werden sich Arbeitgeber und Betriebsrat jedoch in vielen Fällen nicht einigen können. Der Arbeitgeber muss aktiv versuchen, einen Interessenausgleich aufzustellen (§§ 112 Abs. 3 Satz 2, 113 Abs. 3 BetrVG). Ein hinreichender aktiver Versuch, den Interessenausgleich abzuschließen liegt erst dann vor, wenn die Verhandlungen in der Einigungsstelle scheitern. Tut der Arbeitgeber dies nicht, kann der Betriebsrat gem. § 112 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. Auch der Arbeitgeber kann die Einigungsstelle anrufen.

Um den Versuch des Abschlusses eines Interessenausgleichs dokumentieren zu können, sollte der Arbeitgeber bei Nichteinigung immer die Einigungsstelle anrufen.

Die Einigungsstelle ist ein betrieblicher Schiedsausschluss, in dem Arbeitgeber und Betriebsrat unter dem Vorsitz eines neutralen Dritten vertreten sind. Sie verhandelt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung finden können. Eine Entscheidung über den Interessenausgleich kann die Einigungsstelle allerdings nicht erzwingen.

Haben Betriebsrat und Arbeitgeber nicht aktiv versucht, einen Interessenausgleich abzuschließen, ist der Arbeitgeber zum Ausgleich der Nachteile verpflichtet, die sich aus der Betriebsänderung ergeben. Diese Pflicht ergibt sich aus § 113 Abs. 1 und 2 BetrVG. Gleiches gilt, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich vereinbart haben und der Arbeitgeber von dem Vereinbarten abweicht. Eine Abweichung liegt etwa dann vor, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung nachträglich verzögert oder umfangmäßig beschränkt oder erweitert. Zulässig ist eine Abweichung nur dann, wenn dafür ein zwingender Grund vorliegt. Zwingend können dabei nur nachträglich entstandene oder erkennbar gewordenen Umstände sein. Praktisch bedeutet dies, dass dem Arbeitgeber quasi keine andere Wahl bleiben darf, als von dem Vereinbarten abzuweichen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Unternehmen unerwartet einen Großkunden verliert und damit in nicht erwartete wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Dass ein zwingender Grund vorliegt, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen.

Für die Frage, welche Rechte die Arbeitnehmer selbst aus einem Interessenausgleich ziehen können, ist die Rechtsnatur des Interessenausgleichs entscheidend. Die Rechtsnatur eines Interessenausgleichs ist allgemein jedoch sehr umstritten: Während der Gesetzgeber für den Sozialplan in § 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG geregelt hat, dass er wie eine Betriebsvereinbarung wirkt, fehlt eine vergleichbare Regelung für den Interessenausgleich. In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass es sich bei dem Interessenausgleich um eine „Kollektivvereinbarung besonderer Art“ handelt. Was diese Annahme konkret für die Rechtswirkungen des Interessenausgleichs bedeutet, ist unklar. Einig ist man sich nur darüber, dass der Interessenausgleich auf die Arbeitsverhältnisse nicht unmittelbar und zwingend wirkt. Der Interessenausgleich unterscheidet sich daher von einer Betriebsvereinbarung und dem Sozialplan dadurch, dass die Arbeitnehmer aus ihm keine eigenen Ansprüche herleiten können.

Was regelt ein Sozialplan?

Die Beratungspflicht aus § 111 BetrVG bezieht neben dem Interessenausgleich auch auf den Sozialplan.

§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG definiert den Sozialplan als Einigung über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Der Unterschied zwischen Interessenausgleich und Sozialplan besteht darin, dass letzterer sich nicht auf die Ausführung der Betriebsänderung, sondern auf deren negative Konsequenzen bezieht. Hierbei sind nur materiell messbare negative Konsequenzen zu berücksichtigen. Inhaltlich bezieht sich der Sozialplan dabei jeweils auf die im Betrieb vorliegenden Umstände. Dementsprechend wird in Sozialplänen in der Praxis oft auf den Interessenausgleich verwiesen, welcher die Betriebsänderung näher beschreibt.

Der Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung mit Überleitungs- und Vorsorgefunktion. Daher können ihm gem. § 77 Abs. 4 Satz 1 unabdingbare Ansprüche entnommen werden. Das heißt, sowohl Arbeitnehmer als auch der Betriebsrat können aus dem Sozialplan unmittelbare Ansprüche herleiten.

Der Sozialplan ist im Gegensatz zum Interessenausgleich rechtlich erzwingbar. Auch hier kann die Einigungsstelle eingeschaltet werden, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat keine andere Einigung erzielen können. Bei Uneinigkeit entscheidet die Einigungsstelle hier allerdings durch einen Spruch, der für beide Seiten verbindlich ist. Entsprechend wird zwischen freiwilligen und erzwungenen Sozialplänen unterschieden.

Primärer Zweck des Sozialplans ist es, durch eine Betriebsänderung entstehende wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer auszugleichen. Kommen die Betriebspartner diesem Grundsatz nach, sind sie prinzipiell frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile sie konkret ausgleichen oder mildern wollen. Da in der Praxis eine Betriebsänderung nicht selten mit der Entlassung von Arbeitnehmern Hand in Hand geht, regelt der Sozialplan insbesondere die Zahlung von Abfindungen. Die Berechnung der Abfindungen erfolgt auf der Grundlage von Punktesystemen. Orientiert wird sich dabei insbesondere an dem Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer. Für die Höhe einer Abfindung gilt als Faustregel ein halbes Monatsgehalt pro Dienstjahr, entscheidend sind letztlich jedoch die Branche, in der das Unternehmen tätig ist und die wirtschaftliche Situation. Das Volumen des Sozialplans ergibt sich schließlich aus der Gesamtsumme der zu zahlenden Abfindungen. Aber auch sonstige finanzielle Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen können, sind Gegenstand von Sozialplänen (z. B. Umzugskosten oder erhöhte Fahrkosten bei einer Verlegung des Betriebs an einen anderen Standort).

Betriebsübergang bei Umstrukturierungen: Die Schutzvorschrift des § 613a BGB

Wird ein Unternehmen umstrukturiert, handelt es sich dabei nicht selten um einen Betriebsübergang, bei dem die Vorschrift des § 613a BGB zu beachten ist. § 613a BGB soll die betroffenen Arbeitnehmer vor nachteiligen Veränderungen, insbesondere dem Verlust ihres Arbeitsplatzes, schützen. Liegt ein Betriebsübergang vor, tritt der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das bisherige Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer erlischt, sofern der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht fristgemäß nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht. Widerspricht der Arbeitnehmer nicht, geht das Arbeitsverhältnis ohne seine Zustimmung kraft Gesetzes auf den Erwerber über. Der Erwerber übernimmt das Arbeitsverhältnis in der Form, in der es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden hat, das Arbeitsverhältnis wird also ohne Unterbrechung nahtlos fortgeführt.

Wann liegt ein Betriebsübergang vor?

Wann die Rechtsfolgen des § 613a BGB eintreten, geht aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig hervor. § 613a BGB regelt als Tatbestandsvoraussetzungen, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergehen muss. Durch die Rechtsprechung des EuGH und des BAG wurden diese Voraussetzungen inhaltlich präzisiert, wobei weiterhin gewisse Unsicherheiten verbleiben. Nach der aktuellen Rechtsprechung liegt ein Betriebsübergang vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils
  • in Form einer identitätswahrenden wirtschaftlichen Einheit
  • durch Rechtsgeschäft
  • auf einen anderen Inhaber

Unter einem Betriebsteil ist dabei eine Teileinheit oder Teilorganisation eines Betriebs zu verstehen, mit der der Inhaber bestimmte arbeitstechnische Zwecke selbstständig verfolgen kann. Das setzt voraus, dass die in diesem Bereich eingesetzten sachlichen und immateriellen Mittel eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs darstellen, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck erzielt werden soll. Für diesen Teilzweck ist es auch ausreichend, wenn es sich lediglich um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt.

Der EuGH gibt vor: Orientierung am „7 Punkte-Katalog“

Um bewerten zu können, ob ein Betrieb oder Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit identitätswahrend auf einen neuen Erwerber übergeht, hat der EuGH den „Sieben-Punkte-Katalog“ entwickelt. Dabei handelt es sich um sieben in Wechselbeziehung zueinander stehende Kriterien, denen je nach Ausgestaltung des Betriebs eine unterschiedlich starke Gewichtung zukommt. Anhand einer Gesamtbetrachtung der einzelnen Punkte ist abschließend festzustellen, ob die wirtschaftliche Einheit trotz des Inhaberwechsels ihre Identität behält. Als Ausgangspunkt für die Gewichtung der übrigen Kriterien ist zunächst zu erörtern, ob es sich um einen betriebsmittelarmen Betrieb oder einen Produktionsbetrieb handelt. In einem Dienstleistungsbetrieb spielt die Übertragung der materiellen Betriebsmittel für die Wahrung der Identität eine geringere Rolle als beispielsweise der Übergang des Personals oder der immateriellen Betriebsmittel. Im Rahmen des Sieben-Punkte-Katalogs sind dann insgesamt zu prüfen:

  1. Art des Betriebs (produktions- oder dienstleistungsorientiert?)
  2. Übergang der materiellen Betriebsmittel (z.B. Maschinen, Grundstücke)
  3. Übergang der immateriellen Betriebsmittel (z.B. Know-How, Patente, Marken)
  4. Übernahme des Personals (Arbeitnehmer und Führungskräfte)
  5. Übernahme der Kunden
  6. Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten
  7. Dauer der Unterbrechung der Betriebstätigkeit

Was passiert bei einem Betriebsübergang: Die Rechtsfolgen

Bei einem Betriebsübergang gehen die Arbeitsverhältnisse 1:1 von dem Veräußerer auf den Erwerber über, sofern der betreffende Arbeitnehmer nicht widerspricht. Das bedeutet, dass sich für den Arbeitnehmer mit der Ausnahme, dass er nun einen neuen Arbeitgeber hat, durch den Betriebsübergang grundsätzlich nichts ändern soll.

Dieses Prinzip wird durch die Regelung des § 613a BGB nicht nur auf individualrechtlicher, sondern auch auf kollektivrechtlicher Ebene verfolgt:

Ein Tarifvertrag gilt nach Betriebsübergang zunächst fort, wenn sowohl Veräußerer als auch Erwerber ohnehin an denselben Tarifvertrag gebunden sind. Ist dies jedoch nicht der Fall, sieht § 613a S. 3 BGB vor, dass die im Unternehmen des Erwerbers geltenden Tarifverträge anzuwenden sind und diese die Tarifverträge des Veräußerers ablösen. Auch wenn dies nicht im Gesetz explizit geregelt ist, ist allgemein anerkannt, dass als zusätzliche Voraussetzung gegeben sein muss, dass der ablösende Tarifvertrag des Erwerbers auch den gleichen Regelungsinhalt wie der des Veräußerers hat. Der Arbeitnehmer soll auf Regelungen, die bereits für ihn gegolten haben, vertrauen dürfen.

Gibt es beim Erwerber keine Tarifverträge, deren Regelungsinhalt sich mit dem der zuvor beim Veräußerer geltenden Tarifverträge überschneidet, regelt § 613a Abs. 1 S 2 BGB, dass die Tarifverträge, die zuvor beim Veräußerer gegolten haben, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer werden. Von diesen Tarifverträgen darf nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Vor Ablauf der Jahresfrist können die im Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten nur dann geändert werden, wenn der Tarifvertrag nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird (vgl. § 613a Abs. 1 S. 4 BGB).

Tarifverträge sind nicht nur dann auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind. Auch durch sogenannte Bezugnahmeklauseln ist es Arbeitnehmern, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, möglich, in den Genuss von tariflichen Regelungen zu kommen. Da die tariflichen Regelungen im Regelfall günstiger als die des eigenen Arbeitsvertrags sind, schließt ein Großteil der nicht ohnehin durch ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft tarifgebundenen Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber eine Bezugnahmeklausel ab. Der tarifgebundene Arbeitgeber ist dazu im Regelfall bereit, um unterschiedliche Konditionen unter den Arbeitnehmern zu vermeiden. Da die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unzulässig ist, weiß der Arbeitgeber normalerweise nicht, wer von seinen Arbeitnehmer Mitglied in einer Gewerkschaft ist, sodass er vorsorglich in alle Arbeitsverträge eine Bezugnahmeklausel aufnimmt.

Es gibt statische und dynamische Bezugnahmeklauseln. Ob es sich um eine statische oder dynamische Bezugnahmeklausel handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Eine statische Bezugnahmeklausel bewirkt, dass der Tarifvertrag in seiner Fassung zum Zeitpunkt der Bezugnahme anzuwenden ist. Eine nachträgliche Änderung des Tarifvertrags ist nicht zu berücksichtigen. Für die in der Praxis häufiger anzutreffende dynamische Bezugnahmeklausel ist zu differenzieren: Die kleine (zeitlich-) dynamische Bezugnahmeklausel führt dazu, dass der konkret in Bezug genommene Tarifvertrag in seiner aktuellen Fassung anzuwenden ist. Die große dynamische Bezugnahmeklausel bewirkt, dass auch ein Tarifwechsel möglich ist, indem sie einen jeweils geltenden Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung für anwendbar erklärt.

Für Bezugnahmeklauseln gilt im Falle eines Betriebsübergangs § 613a Abs. 1 S. 1 BGB: Der Erwerber bleibt an die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel gebunden. Anhand der Auslegung der Bezugnahmeklausel ist zu bestimmen, welcher Tarifvertrag nun gilt. Dabei ist insbesondere das seit dem 01.01.2002 geltende AGB-Recht zu beachten, wonach die Klausel im Regelfall zugunsten des Arbeitnehmers auszulegen ist.

Das für Tarifverträge Gesagte gilt mit wenigen Besonderheiten auch für Betriebsvereinbarungen. Entscheidender Faktor für die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen im Rahmen eines Betriebsübergangs ist jedoch die Wahrung der Betriebsidentität. Wird die Betriebsidentität gewahrt, wirken bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarungen nach Betriebsübergang normativ weiter auf die Arbeitsverhältnisse ein (vgl. § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB). Die Betriebsidentität ist gewahrt, wenn mit den übergegangenen sachlichen und immateriellen Mitteln der Betriebszweck auch nach Betriebsübergang weiterhin verfolgt werden kann und der Betrieb in seinen Kernelementen fortbesteht. Ob hingegen auch Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang fortgelten, ist weniger klar. Gliedert beispielsweise ein Unternehmen oder ein Konzern einen Betrieb aus, stellt sich die Frage, ob die abgeschlossenen Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen auch in dem ausgegliederten Betrieb kollektivrechtlich weitergelten.

Die Rechtsprechung hat zwischenzeitlich zumindest für Gesamtbetriebsvereinbarungen Stellung bezogen und entschieden, dass diese auch nach dem Übergang von Teilbereichen des veräußernden Unternehmens beim Erwerber kollektivrechtlich fortgelten. Da Gesamtbetriebsvereinbarungen nicht für das Unternehmen, sondern für die einzelnen Betriebe abgeschlossen werden,  müssten auch diese kollektiv in einem veräußerten Betrieb weitergelten, sofern dessen Betriebsidentität gewahrt bleibt.

Das Verhältnis von Betriebsübergang und Betriebsänderung

In der Praxis fällt ein Betriebsübergang nach § 613a BGB nicht selten mit einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG zusammen, auch wenn der Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils an sich keine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG darstellt. Betriebsübergang und Betriebsänderung gehen unter anderem dann Hand in Hand, wenn ein Betrieb auf einen anderen Inhaber übertragen und zeitgleich mit der Übertragung gespalten werden soll. Bezüglich der Betriebsänderung unterliegen Arbeitgeber und Betriebsrat der Pflicht, den Abschluss eines Interessenausgleichs zu versuchen und einen Sozialplan tatsächlich abzuschließen. Durch den Sozialplan müssen auch nur jene Nachteile ausgeglichen werden, die aufgrund der Betriebsänderung entstehen. Die Nachteile, die durch den Betriebsübergang verursacht werden, sind im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung nicht ausgleichspflichtig.

Der Abschluss von Überleitungsvereinbarungen

Um Regelungen für die Zeit nach dem Betriebsübergang zu treffen, schließen Veräußerer, Erwerber und Betriebsrat daher häufig Überleitungsvereinbarungen ab. Eine Überleitungsvereinbarung kann beispielsweise in Form eines Überleitungstarifvertrags geschlossen werden und es erleichtern, unterschiedliche Systeme tariflicher Arbeitsbedingungen zusammenzuführen. Überleitungsvereinbarungen sind aber auch in Gestalt von Betriebsvereinbarungen denkbar, wenn es darum geht, bestimmte Betriebsvereinbarungen aus dem Veräußererbetrieb auch nach dem Betriebsübergang weiterhin zur Anwendung zu bringen, die nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB eigentlich durch im Erwerberbetrieb geltende Betriebsvereinbarungen abgelöst würden.