Was gibt's Neues?

Und noch einmal: Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen von §§ 99 f. BetrVG

Praxisfalle: Nachträgliche Unterrichtung und innerbetriebliche Stellenausschreibung

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass der Betriebsrat im Rahmen von Einstellungen und Versetzungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG unterrichtet wird. Arbeitgeber versuchen in diesen Fällen häufig, die unterbliebene oder nicht ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch eine nachträgliche Unterrichtung entweder außergerichtlich oder im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren zu heilen. Dass dies nicht immer möglich ist, ergibt sich aus den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) jeweils vom 11.10.2022 – 1 ABR 18/21 – und – 1 ABR 16/21.

Tatsächliche Aufhebung der personellen Einzelmaßnahme

In dem der Entscheidung – 1 ABR 18/21 – zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Arbeitgeberin einen bereits bei ihr tätigen Arbeitnehmer ohne Beteiligung des Betriebsrats auf die Stelle X versetzt. Der Betriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht die personelle Einzelmaßnahme aufzuheben (§ 101 BetrVG). Im weiteren Verlauf teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie nehme die Versetzung des Arbeitnehmers zurück. Das inzwischen in der zweiten Instanz anhängige Verfahren wurde von den Betriebsparteien für erledigt erklärt. Zeitgleich bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat, der beabsichtigten erneuten Versetzung des Arbeitnehmers auf die Stelle X zuzustimmen. Zudem teilte sie dem Betriebsrat mit, dass sie diese Versetzung vorläufig durchführen werde. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin seine Zustimmung. Die Arbeitgeberin leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Das BAG hat entschieden, dass die Zustimmung des Betriebsrats nicht zu ersetzen sei und hat dies damit begründet, dass die Unterrichtung durch die Arbeitgeberin nicht „vor“ der Versetzung des Arbeitnehmers erfolgt sei. Der Betriebsrat sei „vor“ der personellen Maßnahme zu unterrichten und es sei seine Zustimmung zu der „geplanten“ Maßnahme einzuholen, damit seine Beteiligung zu einer Zeit erfolge, zu der noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden sei oder eine solche zumindest noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden könne. Im vorliegenden Fall sei daher eine tatsächliche Aufhebung der Versetzung des Arbeitnehmers auf die Stelle X erforderlich gewesen. Es sei nicht auseichend, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat lediglich nachträglich um Zustimmung zu einer bereits (endgültig) vorgenommenen Einstellung oder Versetzung ersuche oder – wie im Entscheidungsfall – nur mitteile, er nehme die Versetzung „zurück“ und führe sie nunmehr nur noch „vorläufig“ durch. Wenn der Arbeitgeber den durch den endgültigen Vollzug der personellen Maßnahme begründeten betriebsverfassungswidrigen Zustand durch bloße Nachholung der Betriebsratsbeteiligung beseitigen könne, würde dies dem Zweck der Norm des § 101 BetrVG widersprechen. § 101 BetrVG solle gewährleisten, dass der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats achte und die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung einhalte. Dies könne nur sichergestellt werden, wenn der Arbeitgeber im Fall einer unterbliebenen Beteiligung ein – ordnungsgemäßes – Zustimmungsersuchen allein bei vorheriger Aufhebung der ursprünglichen Maßnahme an den Betriebsrat richten könne.

Innerbetriebliche Stellenausschreibung vor Unterrichtung des Betriebsrats

In dem der Entscheidung 1 ABR 16/21 zugrunde liegenden Sachverhalt unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über 12 geplante Versetzungen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung u.a. aufgrund der fehlenden internen Ausschreibung der neuen Arbeitsplätze (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Die Arbeitgeberin leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht ein und holte die internen Ausschreibungen vorsorglich nach. Im Anschluss unterrichtete sie den Betriebsrat erneut über die 12 Versetzungen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung abermals, allerdings erst nach Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG.

Das BAG hat gleichwohl entschieden, dass die Zustimmung des Betriebsrats nicht zu ersetzen sei. Zunächst sei bezogen auf die erneute Unterrichtung der Arbeitgeberin eine (fristgemäße) Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nicht erforderlich gewesen, weil die Unterrichtung der Arbeitgeberin nicht auf eine neue personelle Einzelmaßnahme gerichtet gewesen sei. Eine neue – eigenständige – personelle Maßnahme liege nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber nach der Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat vorsorglich nochmals einen Antrag auf Zustimmung zu der personellen Maßnahme stelle. Dafür sei erforderlich, dass der Arbeitgeber von der ursprünglich beabsichtigten Maßnahme Abstand nehme und ein Mitbestimmungsverfahren zu einer eigenständigen personellen Einzelmaßnahme einleite. Vorliegend habe die Arbeitgeberin ihre ursprünglichen Maßnahmen unverändert aufrechterhalten.

Der Betriebsrat habe seine Zustimmung auch zu Recht nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigert. Die Arbeitgeberin habe die ursprünglich fehlende interne Ausschreibung nicht wirksam im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens nachholen können.  Sinn und Zweck des § 93 BetrVG gebieten die Durchführung des innerbetrieblichen Ausschreibungsverfahrens, bevor der Arbeitgeber die Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle treffe und den Betriebsrat um eine entsprechende Zustimmung ersuche. § 93 BetrVG ermögliche dem Betriebsrat, im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft durch die Bekanntmachung freier Stellen den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Die bereits im Betrieb beschäftigten Personen sollen sich bewerben können. Zudem solle eine erhöhte Transparenz von betrieblichen Vorgängen geschaffen werden, um so einer Irritation über die Hereinnahme Außenstehender trotz im Betrieb vorhandener personeller Ressourcen entgegenzuwirken. Ein Erreichen dieser Ziele sei nicht mehr gewährleistet, wenn die innerbetriebliche Stellenausschreibung erst, nachdem der Arbeitgeber seine Entscheidung über die Stellenbesetzung getroffen und sie dem Betriebsrat mit der Bitte um Zustimmung unterbreitet habe, erfolge.

Keine Heilung bei ununterbrochener Beschäftigung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Rahmen von Einstellungen und Versetzungen eine fehlende Unterrichtung oder eine nicht ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG ohne eine tatsächliche Unterbrechung nicht geheilt werden kann. Ferner kann eine unterbliebene interne Ausschreibung nicht nachgeholt werden bzw. darf eine interne Ausschreibung, wenn der Betriebsrat eine solche verlangt hat, in der Regel nicht unterbleiben. Erforderlich ist stets, dass die in diesen Fällen ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte personelle Maßnahme auch tatsächlich aufgehoben wird.

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